„Bonsai, Gestalten - Pflegen - Porträts“

von Horst Stahl und Helmut Rüger

Das bekannte Dreamteam in Sachen Bonsaibücher hat ein neues Buch auf den Markt gebracht. Das Buch mit Hardcover beschreibt die Grundlagen des Gestaltens und Pflegens auf knapp 140 Seiten, ist somit vor allem an Menschen gerichtet, die mit Bonsai beginnen. Da es an Büchern für Anfänger nicht mangelt, stellt sich die Frage: Warum ein neues Buch dieser Art, zumal das an dieser Stelle positiv besprochene Bücherduo von Horst Stahl „Grundkurs Bonsai“ und „Der Weg zum Meister“ noch als Gesamtausgabe „Vom Grundkurs zum Meister“ verfügbar ist?.

stahl_bonsai_gestalten.jpg Die Grundkonzeption dieser letztgenannten Werke stammt aus dem Anfang der 90er Jahre und stellte damals die Spitze der Literatur aus Deutschland zur Einführung in das Bonsaihobby dar. Was kann das viel knapper gehaltene aktuelle Buch besser als die beiden älteren aus demselben Haus? Schauen wir uns das Gebotene an, so fällt eine klare Gliederung auf:
In der „Geschichte des Bonsai“ werden die historischen Zusammenhänge und das, was einen Baum zum Bonsai macht, abgehandelt. Dieser Abschnitt erläutert einerseits die Einbettung von Bonsai in die chinesische und japanische Kultur, andererseits werden hier die Elemente des Bonsai (Stamm, Wurzeln, Äste, Schale etc.) in ihrer Bedeutung für die Beurteilung von dessen Qualität eingeschätzt. Die Frage „Worauf muss man achten?“ taucht hier zum ersten Mal auf, wird jedoch das ganze Buch begleiten.
Im zweiten Abschnitt „Botanik und Pflege“ vermitteln die Autoren zuerst notwendiges Grundwissen in der Pflanzenphysiologie (Wurzeln, Rinde, Blatt etc.). „Wie funktioniert ein Baum?“ ist die Leitfrage, der sich folgerichtig die Diskussion der für eine erfolgreiche Bonsaikultur wichtigsten Aspekte anschließt: Was braucht ein Bonsai? (Erde, Wasser, Licht etc.) Die Autoren haben eine klare Position, man spürt deren langjährige Erfahrung in der Pflege von Bonsai. Die Themen Umtopfen und Werkzeuge behandeln sie ebenfalls in diesem Abschnitt.
Nach 50 Seiten beginnt der dritte Abschnitt „Die Ästhetik des Bonsai“. Hier werden die im ersten Teil grob skizzierten bedeutsamen Elemente des Bonsai wieder aufgegriffen und in einen ästhetischen Zusammenhang gestellt. Was ist schön? lautet hier die Frage. Dabei geht es um das Verhältnis von Gestaltung und Natürlichkeit, ein Thema, das auch die Gestaltungsformen betrifft. Zehn Grundstilarten werden genannt, was etwas willkürlich erscheint, aber den Autoren nicht anzulasten ist. Der vermeintliche Kanon der grundsätzlichen Gestaltungsweisen (Sind es Stile, Arten, Formen?) ist eher eine offene Versammlung von konkreten Bonsaigestaltungen, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts vorgefunden und typisiert wurden. Heute ist man von der Notwendigkeit einer sklavischen Unterwerfung unter die Stilarten abgekommen und gibt der Natürlichkeit einer Form den Vorrang. Neben den Grundstilarten ordnen Stahl/Rüger der Ästhetik auch die angemessene Präsentation eines Bonsai zu.
Sind die Grundlagen geklärt, wenden sich die Autoren der Gestaltungspraxis zu. Äste schneiden, Triebe pinzieren, Form-,Rück- und Blattschnitt sind richtig auszuführen. Unter „In Form halten“ kann man erfahren, wie das im Allgemeinen und im speziellen Fall von Laub-, Blüten-, und Nadelbäumen geht. Auf den Kiefernschnitt, das Drahten und die Alterungstechniken wird speziell eingegangen. Natürlich sollen auch Kenntnisse über Schädlinge und Krankheiten vermittelt werden. Ein kurzes Kapitel dazu schließt den Abschnitt „In Form halten“ ab.
Ab Seite 90 folgt auf die Pflicht die Kür: „Gestaltungsbeispiele“. Getreu der bisher in diesem Buch gepflegten Haltung, zuerst die Grundlagen zu schaffen und vom Einfachen zum Komplizierten voranzugehen, beginnen die Autoren mit der Gestaltung einer Hainbuche, die sie in einem heimischen Nachzuchtbetrieb für Rohpflanzen als Containerware ausgesucht haben. Das zweite Beispiel ist eine Fichte, die aus der Natur entnommen wurde (Yamadori). Auch sie erhält eine Grundgestaltung, diesmal wird die Krone aber komplett gedrahtet. Die beiden letzten Gestaltungen werden an zwei importierten Präbonsai durchgeführt. Ein aus der Form gewachsener Chin. Wacholder erhält seine Kronenform zurück und eine Mädchenkiefer erhält eine neue Vorderseite.
Der letzte Abschnitt befasst sich mit den bei uns am meisten gepflegten Pflanzen und ihren speziellen Bedürfnissen in der Bonsaikultur. Neben den weit verbreiteten importierten Arten stehen auch beliebte heimische Arten auf der Liste. Und hier dürfen natürlich die sogenannten Zimmerbonsai nicht fehlen, deren problematische Pflegebedürfnisse nicht unerwähnt bleiben.
Oben habe ich die Frage nach dem „Warum?“ eines neuen Buches für Anfänger gestellt. Um diese zu beantworten, muss ich noch ein paar Worte zu den Bildern verlieren. Durch das fast quadratische Format und den komprimierten aber inhaltsreichen Text können sich die Autoren leisten, viele schöne, recht große Bilder in dieses Buch zu bringen. Diese sind fast ausschließlich von Bonsai, die bereits lange in Deutschland wachsen. Die großen Bildformate illustrieren auf ausgezeichnete Weise das Gelesene. Der gehaltvolle Text arbeitet die zunehmenden Erkenntnisse verdichtet auf. Vieles, was im letzten Jahrzehnt zur Bonsaikultur geschrieben und entwickelt wurde, findet man hier ganz pragmatisch angewandt. Zu bemängeln ist allenfalls die auch in diesem Buch gepflegte Unsitte, bei der Artenvorstellung genaueste botanische Beschreibungen einer Baumart den Anleitungen voranzustellen. Das z.B. ein Zierapfel „zunächst filzig behaart, später kahle Zweige“ ausbildet, ist bei einer knappen Textvorgabe nicht wirklich mitteilenswert.
In diesem Buch findet man die Beschreibung der bei uns möglichen „guten Bonsaipraxis“ und die damit zu erzielenden Ergebnisse dargestellt. Es ist kein Buch, in dem alles steht, aber wer es kauft, erhält einen sinnvoll geordneten Stand aktuellen Grundwissens.


141 Seiten, 24 cm x 25 cm, 211 Farbfotos, Hardcover, Glossar, Register, 19,95 Euro