BONSAI ART
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Zu Unrecht im Abseits? Text: Herbert Obermayer

Die Arten der Gattung Larix spielen im Bonsai Ostasiens eine – vorsichtig formuliert – lediglich untergeordnete Rolle. Bei den Ausstellungen in Japan, China, Südkorea und Taiwan glänzen Larix kaempferi und die anderen in dieser Region beheimatete Arten in der Regel durch Abwesenheit, ungeachtet eines Wikipedia-Eintrags, nach dem sie in Japan „häufig ... auch als Bonsai zu sehen“ sein sollen. Diese Missachtung oder Vernachlässigung einer ganzen Gattung gilt auch für den Shohin-Bereich.

Im europäischen und nordamerikanischen Bonsai ergibt sich ein anderes Bild. Larix laricina und L. occidentalis sind in den USA und Kanada beliebte Spezies für die Bonsai-Gestaltung; in Europa zählt Larix decidua sogar zu den Favoriten der Bonsai-Liebhaber. Diese Beobachtung gilt jedoch nur für Bonsai im Bereich oberhalb des Shohin-Formates. Bis zu 20 cm respektive 25 cm (die Obergrenze bei Shohin wird in Europa unterschiedlich gesetzt) sind Lärchen bei Ausstellungen nicht häufig zu sehen.
 

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Die Gründe für eine solche „sparsame“ Präsenz sind nur schwer nachvollziehbar. Die Europäische Lärche hat meiner Meinung nach auch als Shohin all jene Qualitäten, die sie in den anderen Größenklassen so beliebt macht: Mit ihr kann man relativ schnell und leicht eine gute Feinverzweigung aufbauen. Mit dem Alter (20 Jahre +) entwickelt sich eine faszinierende Borke. Rohmaterial ist sowohl als Yamadori als auch in Form von Bonsai-Jungpflanzen verhältnismäßig einfach zu beschaffen. Und nicht zuletzt stehen Lärchen sinnbildlich für alle vier Jahreszeiten. Neben der „reinen Form“ im Winter sind der Frühjahrsaustrieb und die Herbstfärbung besonders attraktiv.

Die Distanz zur Lärche in der Shohin-Präsentation hierzulande dürfte wohl eher einer gewissen „Japan-Lastigkeit“ der Shohin-Liebhaber geschuldet sein. Diese orientieren sich auch bei der Pflanzenauswahl stark am Vorbild des „Mutterlandes“, das Larix einfach nicht auf dem Schirm hat.

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Erobert Larix decidua in Europa das Shohin-Regal?
1 - Lärche verdrängt die (Berg-)Kiefer als Spitzenbaum, so dass der Mugo nur noch der 2. Platz als Akzentbaum bleibt
2 - Auch in dieser Dreier-Gruppe trägt die Lärche zu der hohen Qualität des Arrangements bei
3 - Nur Lärchen, egal wo man auch hinschaut!
Fotos: The Trophy 2020 und 2019, Willy Evenepol

Welche Vorzüge die Lärche im Shohin-Bereich haben kann, hat in jüngster Vergangenheit nachdrücklich der Südtiroler Roland Schatzer bewiesen. Bei der Trophy von 2019 präsentierte er ein Display mit einer ausgezeichneten Lärche als Spitzenbaum, wobei der (Berg-)Kiefer „nur“ der Platz als Akzentbaum blieb. 2020, ebenfalls in Genk, setzte Schatzer noch eines drauf und sorgte mit einer Komposition von sechs (!) Lärchen für Aufsehen. Ebenfalls hohe Qualität wies seine 3er-Gruppe mit Larix decidua, Pyracantha angustifolia und Acer palmatum auf.

Schatzers Ansatz hat aktuell noch nicht allzu viele Nachahmer gefunden. Festzuhalten ist jedoch, dass sein Beispiel das große Potential von Lärchen auch als Shohin deutlich gemacht hat. So bleibt unterm Strich die Feststellung: Larix decidua kann die Shohin-Präsentation um einen „europäischen Akzent“ bereichern.
 
BONSAI Laerchen

Lärchen, egal ob heimisch oder die japanische Spezies, stehen sinnbildlich für alle vier Jahreszeiten. Neben der „reinen Form“ im Winter sind der Frühjahrsaustrieb und die Herbstfärbung besonders attraktiv. (Fotos aus dem Buch „Shohin Präsentation“)


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