„THE BEST OF BONSAI IN EUROPE 4“,
der Bildband zum Ginkgo Bonsai Award 2003

von René Rooswinkel und Farrand Bloch

Es ist mittlerweile fast eine Tradition geworden, dass ich seit dem ersten Erscheinen des Ausstellungskataloges zum Ginkgo Bonsai Award regelmäßig eine Rezension schreibe. Die bisherigen Besprechungen finden Sie in den Ausgaben 28, 40 und 52 dieser Zeitschrift. Der Dokumentationsband der Ausstellung des Jahres 2001 hatte ein sehr hohes Niveau erreicht und ich war gespannt auf die Ausgabe von 2003. Nun liegt sie vor und die große Nachfrage lässt eine hohe Erwartungshaltung vermuten.

 

rooswinkelBOX4.jpgEine Publikation, die sich zunehmend verbessert , läuft Gefahr, die eigenen Ideale immer höher zu stecken und schließlich vielleicht daran zu scheitern. Diese Sorge scheint auch Danny Use umgetrieben zu haben, denn er beschreibt im Vorwort, dass er nach der Auswahl der Bonsai für 2003 eine erneute Verbesserung der Qualität erwartete. Als der letzte Sommer jedoch vor allem die Laubgehölze stark strapaziert hatte, war er sich nicht mehr sicher, ob genügend qualitativ hochwertige Bonsai für die Ausstellung zur Verfügung stehen würden. Use spricht von 80% der Laubbäume, die unter verbrannten Blättern litten und nicht mehr ausstellungswürdig waren. Immer wieder werden wir (eigentlich natürlich unsere Bäume) in all unseren Bemühungen mit der Willkür der Natur konfrontiert und müssen damit umgehen. Danny Use und sein Team haben es trotzdem geschafft und eine Ausstellung geschaffen, die ihrem Anspruch gerecht wurde. Im Jahr 2003 hat man auf einen Wettbewerb verzichtet.
Alle zwei Jahre eine europäische Bonsaiausstellung zu organisieren, die das höchste Niveau anstrebt, stellt implizit auch immer die Frage an die Teilnehmer der verschiedenen Länder: Wo stehen wir mit unseren Bonsai? Stellt man diese Frage für die Deutschen, fällt auf, dass von den ca.140 Hauptbäumen, die in größerem Format abgebildet sind, nur 13 von heimischen Ausstellern stammen. Ist das Zufall, haben nicht mehr Bonsaianer aus Deutschland teilnehmen wollen oder erreichen unsere Bonsai nicht das erwartete Niveau? Walter Pall sei extra erwähnt, denn durch seine Bonsai öffnet er den Blick auf so „exotisches Material“ wie die amerikanische Pinus ponderosa. Neben den traditionell starken Südeuropäern fallen die vielen eindrucksvollen Bonsai aus dem britischen Königreich auf. Mir haben besonders die aus den verschiedenen Ländern des Südens und des Nordens stammenden Pinus sylvestris gefallen. Die Föhre ist für mich in diesem Sinne der wahre europäische Bonsai.
Nun noch einige Anmerkungen zur Präsentation. Bei den Schalen treffen die meisten Aussteller mittlerweile eine sichere und gute Wahl. Form, Farbe und Proportionen stimmen überwiegend. Für die meist vorhandenen Tische trifft das weniger zu. Optisch schwere Bäume auf filigranen Tischen drohen mit diesen zusammenzubrechen. Andererseits lenken verschnörkelte, massive Ständer manchmal vom eher schlichten Baum ab, oder Halbkaskaden kratzen gänzlich ohne Fundament fast den Boden. Auch einige experimentelle Arrangements von Marc Noelanders oder auch Farrand Bloch sind zu sehen, die ausdrucksstarke Bonsai aus „unmöglichem“ Material realisiert haben.
Zum Schluss doch noch ein wenig Kritik am Bildband. Ganz im Gegensatz zum ersten Buch der Reihe sind die Fotos ausgesprochen, um nicht zu sagen übermäßig scharf. Dazu kommt eine „harte“ Ausleuchtung, die jedes Detail zeigt, so dass oft selbst die sonst im Schatten der Krone verschwindenden Bereiche sichtbar sind. Vor dem schwarzen Hintergrund sind so die Kontraste sehr streng. Ähnlich wie vom Gestalter wünsche ich mir vom Fotografen gegenüber seinem Bonsai etwas gnädige Milde. Natürlich wollen wir, dass ein Bonsai seine Schönheit preisgibt, er muss jedoch vielleicht nicht alle Geheimnisse auf den ersten Blick offenbaren.


(„The Best of Bonsai in Europe 4“ von René Rooswinkel u. Farrand Bloch, 130 Seiten, Hardcover mit Schuber, 21cm x 29cm, durchgehend farbig, 45,- Euro)