von Zhao Quingquan

Ein ganzes Buch über Literaten-Bonsai? Auf der Suche nach fundiertem Hintergrundwissen freut sich der Rezensent über ein englischsprachiges Werk, das Neues über diese mysteriösen Bäume zu verraten verspricht. Aber schon der Titel scheint sich nicht entscheiden zu können, ob es um ein Buch über Penjing oder Bonsai geht. Gehen wir also etwas weniger streng an die Sache heran und schauen, was Herr Zhao auf dem Umweg über Amerika über die schlanken, eleganten Bäume mitteilt.

Literati Style PenjingEin ganzes Buch über Literaten-Bonsai? Auf der Suche nach fundiertem Hintergrundwissen freut sich der Rezensent über ein englischsprachiges Werk, das Neues über diese mysteriösen Bäume zu verraten verspricht. Aber schon der Titel scheint sich nicht entscheiden zu können, ob es um ein Buch über Penjing oder Bonsai geht. Gehen wir also etwas weniger streng an die Sache heran und schauen, was Herr Zhao auf dem Umweg über Amerika über die schlanken, eleganten Bäume mitteilt.
Bonsai wird in diesem Buch global als Begriff für kleine Bäume verwendet. Es ist hier nicht der japanische Bonsai im Unterschied zum chinesischen Penjing gemeint. Sie sind in diesem Sinn also auch Bonsai. Herr Zhao verwendet eingeführte japanische Begriffe, um damit chinesische Formen zu beschreiben. Wir werden sehen, ob man solche national differenzierten Vorstellungen am Ende noch beibehalten kann.
Das Buch hat etwa DIN-A 4-Format, 160 Seiten und einen festen Einband. Viele ganzseitige Abbildungen machen sehr anschaulich, worum es dem Autor geht: Der Literaten-Penjing, also die chinesische Ausprägung des „Bunjin-Bonsai“, ist eine Gruppe von Bäumen, die weniger formal als durch ihre Grundstimmung zusammengehört. Man findet sie in allen Stilformen von streng aufrecht bis Vollkaskade, von denen sie eine Art Literaten-Form darstellen. Diese Bäume haben lange, dünne Stämme (oft über 1m hoch) und nur im oberen Bereich Äste mit oft extrem reduziertem Blattwerk. Sie zeichnen sich durch Zurückhaltung, Einfachheit, Reduktion und anderen immer auch emotionalen Qualitäten wie Distanz aus. Der Ausdruck, den diese Bäume zeigen, hat seinen Hintergrund in Kalligraphien, Tuschezeichnungen und Gedichten der gelehrten Oberschicht, die darin ihre innere Welt veräußerten.
Nur kurz will ich hier die Kapitel erwähnen, die scheinbar in keinem Bonsaibuch fehlen dürfen, aber eben deshalb allgemein bekannt sind. Kapitel 1 und 2 widmen sich der Ästhetik und dem kulturellen Hintergrund, Kapitel 3 den Grundtechniken des Bonsai, die durch Beispiele der verschiedenen Spielformen des Literaten-Penjing in Kapitel 4 ergänzt werden. Kapitel 5 beschäftigt sich mit Ausstellung und Präsentation und Nr. 6 mit Pflege und Erhaltung eines Bonsai bzw. Penjing. Den Abschluss bildet ein Anhang mit historischen Daten und ein Register.
Hier möchte ich mich nur mit dem 4. Kapitel, den Projekten, beschäftigen, die verdeutlichen, was einen Literaten-Penjing im Verständnis von Herrn Zhao ausmacht. Die Bilder von diesen Bäumen sind, zusammen mit ihren Namen und den kurzen Erläuterungen, der Schlüssel zum Verständnis. Ausführlicher wird Zhao in seinen Projekten, von denen er zwölf vorstellt. Hier werden die Zwischenstadien der Entwicklung mit Fotos meist über etwa 10 Jahre dokumentiert. Jeder dieser Penjing hat einen Namen, der symbolisch einen chinesisch-kulturellen Aspekt aufgreift. „Aufstieg in die Wolken“, „Der Geist der Antike“ oder „Über der Leere“ deutet auf etwas Geheimnisvolles oder Entrücktes hin. Oft spielt darin die Natur eine große Rolle, aber auch mythische Wesen wie Drachen oder Kranich oder auch menschliche Tugenden können von einem Literaten-Penjing dargestellt werden.
Ist dieses Buch nun eines, was eine winzige Facette eines ohnehin kleinen Spezialgebietes des Sonderbereiches menschlicher Hobbys – Abteilung Gartenbau – beleuchtet. Oder: Warum sollte man dieses Buch eigentlich lesen? Dafür komme ich auf den Anfang zurück. Der Autor verwendet für seinen Gegenstand drei verschiedene Begriffe und deren Kombination: Literati, Penjing und Bonsai, ohne sich wirklich um Trennschärfe zu bemühen. Ebenso sind seine Ableitungen, obwohl er sich historisch ganz auf China bezieht, doch durchsetzt mit japanischen (und internationalen) Konzepten des Bonsai. Hier schreibt ein moderner Chinese, der den Markt und die globale Verbreitung von Bonsai kennt. Anders gesagt: Würde man einen seiner „Literati“ ohne Kommentar und Herkunftsbezeichnung auf der Kokufu-ten ausstellen, würde der höchstwahrscheinlich als Bunjin angesprochen werden. Ich denke, man kann Bonsai heute nur international verstehen. Was heißt das für dieses Buch? Auch wenn China drauf steht, liegt es nicht umsonst in der internationalen Sprache Englisch vor. Für die eigene Praxis, ob wir nun glauben, wir machen Bonsai, Penjing, Zwergbäume oder gar Fairytale, ist dieses Buch ein Gewinn, denn es zeigt, worauf es beim Gestalten von schlanken, eleganten, stimmungsvollen Bonsai ankommt.

 

Literati Style Penjing von Zhao Quingquan. 160 Seiten, 340 Fotos, 21 cm x 28,5 cm, Hardcover mit Schutzumschlag, englischsprachig, 34,95 EUR.

Rezension von Michael Exner aus BONSAI ART 136