Interview mit Christian Fritz

Die hochwertigen und individuellen Bonsai-Schalen, die deutsche und europäische Töpfer heutzutage fertigen, bescheren dem ambitionierten Bonsai-Freund mittlerweile eine erfreulich große Auswahl für ihre Bäume. In der Serie von Töpfer-Interviews stellen wir Ihnen einen weiteren deutschen Schalenkünstler vor: Christian Fritz.

 Interview Fritz

Der Steingadener Christian Fritz, geboren 1970, ist nicht nur Bonsai-Schalentöpfer, sondern auch Bonsai-Händler und -Lehrer, sowie Garten- und Landschaftsgestalter. Er setzt auf einen Rundumservice für seine Kunden, denen er vom Rohling oder schon gestalteten Bonsai über Workshops bis zu seinen handgetöpferten Schalen einiges anzubieten hat.


Mehr über Christian und seine Arbeiten unter bonsai-fritz.de


Wie und wann ist Bonsai in Dein Leben getreten?
Mein Interesse für die Bonsai-Kunst wurde geweckt, als ich 1987 in einem Park ausgestellte Bonsai zu Gesicht bekam. Ich war fasziniert von den kleinen Bäumen, die doch aussahen wie große. Meine erste Lektüre war das Buch von Peter Chan mit dem  Titel „Bonsai Masterclass“. Danach folgten viele weitere Bücher, die ich aufmerksam studierte.

Seit wann töpferst Du Bonsai-Schalen und wie ist es dazu gekommen? 
Die ersten Schalen entstanden 2002 für meine eigenen Bäume, nachdem ich festgestellt hatte, dass es gar nicht so einfach ist, eine aus ästhetischer Sicht passende Schale in der richtigen Größe zu bekommen. Von einer Töpfermeisterin habe ich die Grundkenntnisse, Aufbautechnik, Drehen auf der Scheibe und Glasieren gelernt. Alle weiteren Kenntnisse habe ich mir im Laufe der Zeit durch Ausprobieren selbst angeeignet. In der ersten Zeit habe ich noch nicht so viele Schalen getöpfert und ich durfte meine Stücke im Ofen meiner Meisterin brennen lassen. Erst 2006, als die Nachfrage und das Interesse an meinen Schalen größer wurde, habe ich mir meine eigene Töpferwerkstatt mit einem großen Ofen eingerichtet.

 Interview Fritz
Steinschale mit den Maßen 50 cm x 40 cm. 
Sie hat eine wilde Textur und viele Details und Löcher. Die Steinschalen und -platten sind von oben und unten gleich gut gemacht, so dass man sie auch umgedreht verwenden kann

Hast Du eine künstlerische Ausbildung und was ist Dein ursprünglicher Beruf?
Mein beruflicher Werdegang begann Mitte der 1980er Jahre mit einer Ausbildung zum Kunstschmied. Danach arbeitete ich einige Jahre im Maschinenbau. Das hatte allerdings mit Kunst nichts mehr zu tun. Schließlich wechselte ich in den Garten- und Landschaftsbau. 2009 begann meine selbständige Tätigkeit im Gartenbau und parallel dazu die Bonsai-Kunst als Nebenerwerb. Seit 2012 ist mein Bonsai- und Töpfergeschäft neben der Pflege und Gestaltung hochwertiger Formbäume in exklusiven Japanischen Gärten im süddeutschen Raum mein Haupterwerb.

Wie hast Du Bonsai und das Töpfern erlernt, hattest Du Lehrer?
In Sachen Bonsai habe ich viel aus der Fachliteratur gelernt und durch Ausprobieren und Beobachten. „Learning by doing“ war da vor allem zu Anfang mein Weg. Beim Töpfern wurde ich von meiner bereits erwähnten Töpfermeisterin gut geschult, die mir immer mit Rat und Tat behilflich war. 

Bei vielen Töpfern treten die Bonsai selbst mit der Zeit in den Hintergrund, warum ist das bei Dir anders?
Das ist bei mir im Grunde auch nicht so anders. Bevor ich die Fertigung von Bonsai-Schalen mit ins Programm nahm, hatte ich etwa 600 Bäume in meinem Garten. Da es mir wichtig ist, dass jeder Baum die nötige Pflege und Gestaltung bekommt, habe ich die Menge auf ca. 250 – 300 Bäume reduziert, nach dem Motto „Klasse statt Masse“. Von diesen Bäumen gehören ungefähr 50 Bäume zu unserer privaten Sammlung. Es ist mir wichtig, jedem an Bonsai Interessierten alles aus einer Hand zu bieten: Bäume, Schalen, Beratung und die Vermittlung von Wissen in Form von Workshops und Seminaren auf qualitativ höchstmöglichem Niveau. 

Interview Fritz 03
Ovale glasierte Schale.
Maße: 40 cm x 34 cm x 13 cm

Du beschäftigst Dich mit Yamadori und sammelst diese selbst in den Bergen. Welche Vor- und Nachteile siehst Du dabei? Wie betrachtest Du die Ethik des Sammelns von Yamadori?
Yamadori ist der Ursprung von Bonsai und liegt mehr als 2000 Jahre zurück. Yamadori bedeutet so viel wie „der Weg des Sammlers“. Buddhistische Mönche nahmen sich diese alten, kleinen aber doch erhaben wirkenden Bäume, die oft schon mehrere hundert Jahre hoch in den Bergen wuchsen, mit in ihre Klöster. Sie wurden an Stellen aufgestellt, an denen Meditation und Gebet stattfanden. Sie wurden in gewisser Weise verehrt und auch dementsprechend gepflegt. Auch bei der Entnahme aus der Natur ging man sehr achtsam und respektvoll vor.  enauso sollten wir das heute auch tun. Keinesfalls sollten aus Habgier oder Profitdenken Bäume der Natur entrissen werden. Ich bereite meine Yamadori oft über drei bis vier Jahre vor. Die Gestaltung beginnt dann schon am natürlichen Standort. Wurzeln werden auf das Ausgraben vorbereitet und Rückschnitte durchgeführt. Dies geschieht grundsätzlich nur auf legale Weise mit Genehmigung des Besitzers. Nur so kann man in Ruhe und konzentriert Yamadori betreiben. Unter Stress und illegal ausgegrabene Bäume bringen ein schlechtes Karma mit sich und dies ist genau das Gegenteil von dem, was  man sich wünscht. Wenn man Bäume retten kann, die aufgrund baulicher Maßnahmen wie neue Skipisten, Liftanlagen oder Gartenumgestaltungen ohnehin der Motorsäge zum Opfer fallen würden, ist das ethisch gesehen der beste Weg, sich Pflanzen zu besorgen.

Wie hat sich Deine Töpferei entwickelt und was bedeutet sie heute für Dich?
Es hat einige Zeit gedauert, die Voraussetzungen für meine eigentliche Berufung zu schaffen. Ich bin Gärtner, Künstler und Handwerker in einer Person. Das Töpfern bedeutet für mich die künstlerisch-handwerkliche Seite. Bei der Arbeit mit Bonsai kommt der Gärtner noch hinzu.

Wie lässt sich Bonsai und das Töpfern mit Deinem Familienleben vereinbaren?
Meine Familie steht voll und ganz hinter dem, was ich mache. Ich bekomme tatkräftige Mithilfe beim Gießen, Unkraut Jäten und der allgemeinen Gartenpflege. Das ist vor allem im Frühling und Herbst, wo mir im Job viel abverlangt wird, sehr hilfreich. 

Interview Fritz Natürlich gehört auch die Gestaltung von Bonsai zu den Passionen von Christian Fritz

Nimmst Du an nationalen und / oder internationalen Ausstellungen teil?
Wenn es möglich ist, gehe ich mit meinen Bäumen auf Ausstellungen und habe dann meistens auch einen Händlerstand. Das Problem jedoch war bis jetzt, einen zuverlässigen Gießdienst zu finden, der während meiner Abwesenheit die Bäume versorgt. Jeder, der Bonsai hat, kennt wahrscheinlich dieses Problem und einige haben sicherlich schon schlechte Erfahrungen gemacht, als sie aus dem Urlaub zurückkehrten.

Du gibst Töpferkurse. Welche Motivation steckt dahinter?
Ich möchte bei meinen Kursen und Workshops meine jahrelange Erfahrung weitergeben. Eine Bonsai-Schale zu töpfern ist eigentlich nicht schwer, wenn man Tipps und Tricks verraten bekommt, ohne die man sonst lange probieren müsste. Selbst Leute, die noch nie Ton in den Händen hatten, schaffen unter meiner Anleitung 2 bis 3 Schalen mittlerer Größe an einem Tag. len kommen dabei  heraus. Zum Beispiel benötigt man für eine große Schale mit den Maßen von etwa 70 cm x 50 cm x 13 cm etwa 20 bis 25 kg Ton. 

Was für Schalen gefallen Dir persönlich am besten? 
Antike Schalen, denen man die handwerkliche Fertigung ansieht, mit schöner Patina. Die Patina entsteht im Laufe der Jahre und Jahrzehnte durch Witterungseinflüsse und Benutzung. Es ist ein Oxidationsprozess, wobei bestimmte Anteile in einer Glasur im Laufe der Zeit ihre Farben verändern. Der Grünspan auf Kupfer ist ein Beispiel und entsteht in gleicher Art und Weise. Ebenso faszinieren mich Schalen mit aufwendigen Verzierungen, florale Motive, Landschaftsmotive und Drachen, die es mir besonders angetan haben und von denen ich auch schon einige gemacht habe. Natürlich wirkt eine solche Schale am besten, wenn sie mit einem passenden, reifen Baum bepflanzt ist. Die Schale und der Baum ergänzen sich gegenseitig und bilden eine Einheit. 

Interview Fritz

Worauf legst Du besonderen Wert beim Töpfern von Bonsai-Schalen?
Auf präzise und saubere Verarbeitung, wie beispielsweise das Verputzen der Naht- und Klebestellen, lege ich großen Wert. Form, Farbe und Oberfläche müssen zusammenpassen und einen harmonischen Eindruck ergeben. Auch die Proportionen müssen stimmen. Von der Größe der Schale sind die Wandstärke und auch die Höhe und Anordnung der Füße abhängig. Legt man noch ein Band um die Schale, etwa am unteren  Schalenrand, ist dessen Maß ebenfalls der Schalengröße anzupassen. Das sind nur einige Beispiele. 

Machst Du viele Auftragsarbeiten?
Die Fertigung von „Wunschschalen“ in der passenden Größe gehört natürlich zu meinem Service und füllt ca. ein Viertel der Zeit, in der ich töpfere. Manchmal muss ich mehrere Glasurproben brennen, bis die Farbe der Glasur dem Kundenwunsch entspricht. Bei einer Schalenbestellung fertige ich immer 2 bis 4 Stück an, wobei ich die Glasur bei jeder Schale ein wenig unterschiedlich auftrage. So ergeben sich beim Brand verschiedene Farbnuancen. Der Kunde kann sich dann die für seinen Geschmack schönste aussuchen. Bei sehr großen Schalen kommt es öfter vor, dass sie beim Brand reißen und Ausschuss sind. Das rechtfertigt auch die Preise, die große Schalen kosten.

Welche Hilfsmittel und Werkzeuge benutzt Du beim Töpfern?
Hände, Gefühl und Mondkalender! Ansonsten Holzplatten, Holzleisten und ein Rundholz zum Auswalzen des Tons. Einfache Schablonen fertige ich mir für die Form der jeweiligen Schale selbst an. Ich benutze auch Modellierwerkzeuge, wobei ich mir spezielle ebenfalls selbst herstelle.

Interview Fritz
Detail einer rechteckigen glasierten Schale. 
Maße: 25 cm x 20 cm x 7 cm

Kannst Du Dich gut von verkauften Schalen und Bäumen trennen?
Von verkauften Schalen kann ich mich sehr gut trennen, bei Bäumen ist das etwas anders. Schalen, die ich behalten möchte, verkaufe ich nicht und das gleiche gilt für Bäume.

Welche Rolle spielt das Internet für Dich?
Das Internet ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Gerade wenn man ein Gewerbe betreibt, hat ein Internetauftritt viele Vorteile. Vom ökologischen Standpunkt aus betrachtet ist das Internet ebenfalls von Vorteil. Der Kunde hat die Möglichkeit, zu bestellen ohne weite Wege machen zu müssen. Natürlich hat alles, was Vorteile hat, auch Nachteile. Zum Beispiel rückt der persönliche Aspekt bei der Kommunikation via Internet eher in den Hintergrund. 

Hast Du einen Lieblingsbaum? Was macht ihn besonders?
Ich mag sie alle gleichermaßen. Als Lieblingsbäume betrachte ich allerdings diejenigen, an die schöne Erinnerungen geknüpft sind. Sie erzählen mir beim Betrachten eine Geschichte, so als ob ich ein Tagebuch aufschlage.

Interview Fritz
Runde glasierte Kaskaden-Schale mit schönem Krakelee.
Durchmesser 17 cm, Höhe 15 cm

Hast Du ein Vorbild in der Bonsai- und Töpferscene?
Bei der Bonsai-Gestaltung ist für mich zweifellos die Natur das beste Vorbild. Ich bin der Meinung, dass menschliche Vorbilder schnell zum Nachahmen verleiten können und die Individualität dadurch zu kurz kommt. Was die Töpferkunst betrifft, bewundere ich das Wissen und Können des Peter Krebs. Ich muss zugeben, dass ich ihn gerne als Lehrer hätte. 

Wie beurteilst Du die Bonsai-Scene heute und ihre zukünftige Entwicklung?
Ich enthalte mich jeglicher Be- und Verurteilungen. Viel lieber mache ich mir Gedanken über meine Bäume oder die nächste Schalenkollektion. Es ist wie es ist und wird kommen wie es kommt. Das Hier und Jetzt ist das Einzige, was wirklich zählt. Mit anderen Worten: Der Weg ist das Ziel.

Was dürfen wir in der Zukunft von Dir erwarten?
Noch bessere Bäume und Schalen. Man lernt nie aus! Durch jahrelange Erfahrung und stetiges Dazulernen ergibt sich eine Steigerung der Qualität von selbst. Mein Ziel ist es, diese Qualitätssteigerung an jeden weiterzugeben, der sich für Bonsai interessiert, und auf diesem Weg bin ich.

Worauf sollte man achten, wenn man das Töpfern von Bonsai-Schalen selbst versuchen möchte?
Es gibt etliche Anleitungen dafür im Internet zu finden. Ich würde allerdings empfehlen, an einem Töpfer-Workshop teilzunehmen, denn dabei lernt man einiges mehr und man kann bei Fragen oder Problemen mit sofortiger Hilfe rechnen.