Diese Europäische Lärche wurde Ende der Achtzigerjahre von mir gesammelt und war einer meiner ersten Yamadori. Ohne große Erfahrung, die man in dieser Zeit einfach noch nicht haben konnte, ließ ich mich auf die lange Reise ein, daraus einen Bonsai zu machen
Die „Reisegefährten“ Manfred Jochum und seine Lärche auf der „3 Nations Bonsai“-Ausstellung in Reisbach / Saar
Der anfängliche Dreierstamm wuchs zunächst gut an, aber einer wurde schwach und starb einige Zeit später ab. Vermutlich war der ihn versorgende Wurzelbereich beim Ausgraben zu stark gekürzt worden.
Anfang der Neunzigerjahre erkannte man, dass die Lärche sich stabilisiert hatte und auch mit den verbliebenen zwei Stämmen ein gewisses Potenzial besaß. Den toten Stamm mochte ich nicht wegschneiden. Mir gefiel der Gedanke, daraus einen Jin- und Shari-Bereich zu machen, obwohl dieser zum damaligen Zeitpunkt noch viel zu dominant und wuchtig erschien.
Ich hatte noch keine Erfahrung mit der Bearbeitung von Totholz und so machte ich erst mal nichts. Mein Bonsai-Lehrer, der unvergessene Horst Krekeler, sagte immer: „Schau dir einen Bereich ruhig mal eine Zeit lang an (das können auch Jahre sein), analysiere in Ruhe die Vor- und Nachteile und entscheide erst, wenn du dir sicher bist, ob der Bereich bleiben kann oder doch besser entfernt wird.“ Ich entschied mich fürs Behalten, worüber ich heute sehr froh bin.
1992 nahm ich an einem Leser-Wettbewerb der Zeitschrift „Bonsai-Praxis Workshop“ von Wolf D. Schudde teil, wo der Baum dann 1993 in der Ausgabe 13 prompt veröffentlicht wurde. Schon damals, in meinen Anfängen der Beschäftigung mit Bonsai, war ich sehr stolz auf diese Lärche, und natürlich auch auf diese öffentliche Anerkennung. In den Folgejahren waren hauptsächlich Pflege, Abspannen und Schneiden angesagt.
Im Laufe der Zeit wurde viel wachsen gelassen, aber auch wieder viel entfernt. Es war ein stetiges Treiben und Schneiden. Auch bei der Bearbeitung des Totholzes machte ich Fortschritte. Es wurde langsam stimmiger. So entwickelte sich allmählich aus einer Jungpflanze ein recht ehrwürdiger und älter wirkender Baum, mit eigenem Charakter und Charme, der zu jeder Jahreszeit ein wenig anders aussieht.
Die Entwicklung 1990 - 2018
Der vorläufige Höhepunkt im Bonsai-Leben der Lärche ist ihre Auszeichnung mit dem BONSAI ART Award im August 2022 auf der „3 Nations“ Ausstellung. Vergleicht man die ersten Fotos mit dem letzten Bild bei der Ausstellung in Reisbach / Saar, so hat sich die Lärche gut entwickelt. Die Neigungen der Astansätze und die Borke auf den Hauptästen und Stämmen zeigen sich recht natürlich und einem alten Baum gerecht. Es ist auch inzwischen kein Draht mehr notwendig.
Der Baum bzw. die Kronenform wird heute fast nur noch durch Schnitt und gelegentliches leichtes Abspannen gelenkt.
Es ist einfach nur schön, einen solchen Baum pflegen und sein Eigen nennen zu dürfen – die Reise hat sich in der Tat gelohnt.
BONSAI ART AWARD 2022: Die Europäische Lärche (Larix decidua) von Manfred Jochum erhielt auf der vierten Ausgabe der „3 Nations Bonsai“-Ausstellung im August 2022 einen BONSAI ART Award und den 2. Platz in der Kategorie Dai-Bonsai Koniferen
von Manfred Jochum