Die Geschichte dieses Bonsai begann um 1960, als der Baum von einer österreichischen Pflanzenliebhaberin in einem Gartenmarkt gekauft und anschließend viele Jahre als Kübelpflanze kultiviert wurde.
In den 1980er Jahren entdeckte die damalige Besitzerin ihr Interesse an Bonsai. Schon zu dieser Zeit erkannte sie in der seltenen Pflanze das Potenzial für einen besonderen Bonsai. In verschiedenen Workshops und Clubabenden wurde die Entwicklung des Zwergblauregens in die richtigen Bahnen gelenkt. Die Schale wurde im Laufe der Jahre mehrmals getauscht.
Zwergblauregen (Milettia japonica 'Hirne Fuji')
von Gerhard Gruber (AT)
Höhe: 80 cm
Alter: ca. 70 Jahre
Schale: Conny Hackl (AT)
Diese ungewöhnliche Baumart in solcher Größe und Reife zu sehen überraschte das Fachpublikum bei der EBA in Augsburg
Im Jahr 2002 hätte ein Hochwasser den Werdegang und das Leben der vielversprechenden Millettia beinahe vorzeitig beendet. Der Garten von Frau Obermann und damit auch von Gerhard Gruber ihre gesamte Bonsai-Sammlung wurde komplett unter Wasser und Schlamm begraben. Der Oberösterreichische Bonsai-Club organisierte spontan eine große Rettungsaktion.
Bei dem verheerenden Hochwasser von 2002 wurde die gesamte Bonsai-Sammlung, somit auch der Zwergblauregen, von verunreinigtem Wasser und Schlamm überflutet
Die Wurzelballen waren mit Chemikalien, Öl und nicht näher bekannten Substanzen aus den umliegenden, ebenfalls überfluteten Lagerhallen durchtränkt und die hilfsbereiten Clubmitglieder bemühten sich, durch gründliches Auswaschen die Bonsai zu retten. Durch die Überflutung verlor Frau Obermann ihr gesamtes Hab und Gut und somit auch alle Fotos von früher. Dank des raschen Einsatzes des Bonsai-Clubs haben alle Bonsai überlebt. Die Mitglieder spendeten ein neues Bonsai-Regal und konnten damit der in Not geratenen Familie eine große Freude bereiten.
2014 übergab Frau Obermann den Millettia-Bonsai in meine Pflege, da sie sich aufgrund ihres mittlerweile höheren Alters nicht mehr in der Lage sah, dem Baum die entsprechende Pflege angedeihen zu lassen. Bei der Auflösung ihrer Sammlung verkaufte sie die Bonsai an unsere Clubmitglieder. So bleiben die Bäume im Club, werden bestens betreut und die Vorbesitzerin kann trotzdem bei Ausstellungen und ähnlichen Anlässen ihre Bonsai bewundern. Es zeugt von Stärke und Liebe zu ihren Bäumen, dass sie sich beizeiten um das Weiterbestehen ihrer Bonsai gekümmert und geeignete Plätze für die von ihr jahrelang gepflegten Exemplare gefunden hat.
Seither habe ich die Gestaltung des Zwergblauregens intensiviert. Meine erste Maßnahme war, den Baum in ein besser geeignetes Substrat (ein Bims-Lava-Akadama-Gemisch) und in eine extra angefertigte Schale unserer österreichischen Schalenkünstlerin Conny Hackl umzupflanzen. Nach und nach wurden formende Arbeiten durchgeführt. Mit an der Schale befestigten Spanndrähten wurden die Äste in ihre reifere Form herabgezogen. Ein besonderes Augenmerk wurde auf das Freilegen des Nebari gelegt.
Bei jedem Umtopfen, alle zwei Jahre, wurde der Baum etwas höher gepflanzt, die dichten Wurzeln geschnitten und die Oberflächenwurzeln gerade ausgerichtet. An der grundsätzlichen Gestaltung wurden aus Respekt vor der Vorbesitzerin keine Veränderungen vorgenommen. Durch den mehrmals im Jahr erfolgten Rückschnitt konnte sich die im laubfreien Bild ersichtliche Feinverzweigung entwickeln. Gleichzeitig mussten die Äste immer wieder nach unten gespannt werden, weil sie stark dazu neigen, sich wieder aufzurichten.
2002
Zum Glück überlebte der Zwergblauregen die Hochwasserkatastrophe, weil sein Wurzelballen gründlich ausgespült wurde
2004
Im Jahr 2004 wurde der Baum bereits wieder auf einer Austellung gezeigt
2008
Auf der Suche nach einer passenden Schale wurden etliche Gefäße ausprobiert. Im Jahr 2008 war die Millettia in einer ovalen, rot-braunen Schale zu sehen
2010
Im Frühling 2010 wurde der Baum erneut umgetopft, diesmal in eine unglasierte, ovale Schale, deren Tiefe der Wasserversorgung und der Vitalität der Pflanze zu Gute kam. Im beginnenden Austrieb ist die Verzweigungsstruktur noch gut zu erkennen
2010
Einige Wochen später im Jahr war die Krone der Millettia bereits fast vollständig mit Laub bedeckt
Da die Millettia ein sehr feuchtes Milieu bevorzugt, steht sie immer in einer Wanne mit Wasser, nahe am Gartenteich in der direkten Sonne. Überwintert wird sie im Glashaus bei Temperaturen nicht unter plus zwei Grad.
Die nächste, sicher nicht ganz einfache Aufgabe wird die Auswahl einer adäquaten neuen Schale für diesen einzigartigen Baum, da die aktuelle Schale mit der Zeit zu klein geworden ist. Eine Herausforderung, die das Potenzial des Baumes voll ausschöpfen und zur Perfektion bringen soll.
Die Millettia auf der EBA-Ausstellung im Juni 2022 in Augsburg zeigen zu können und sogar einen BONSAI ART Award dafür zu erhalten, war mir eine große Freude. Der Baum wurde anschließend auch auf dem Titelbild der BONSAI ART 175 abgebildet. Jedoch war die Ausstellungsteilnahme eine große Belastung für den Zwergblauregen. Da in der trockenen Luft der klimatisierten Kongresshalle der Wasserhaushalt des Baumes nicht genügend aufrecht erhalten werden konnte, begann er bereits während der Ausstellung, seine schönen, gefiederten Blättchen zu verlieren. Am gewohnten Standort zu Hause konnte sich der Baum aber wieder erholen und entwickelte bald darauf durch umsichtige, liebevolle Pflege wieder seine alte Pracht. Bonsai können schon Diven sein ...
Gerhard Gruber freute sich in Augsburg über den BONSAI ART Award, mit dem sein Bonsai ausgezeichnet wurde
2013
Die Baumkrone und Verzweigung wurden von Jahr zu Jahr reifer
2022
Auf der EBA-Ausstellung im Juni 2022 präsentierte sich die Millettia in voller Schönheit. Doch bei mehrtägigen Ausstellungen leiden die Bäume häufig unter trockener Luft und Lichtmagel
2022
Noch während der Ausstellung begann der Baum, seine Blätter zu verlieren. An seinem gewohnten Platz am heimischen Teich trieb der Zwergblauregen jedoch bald wieder neu aus
Der Zwergblauregen als Bonsai
Innerhalb der Gattung Millettia, die zu den Schmetterlingsblütlern (Fabaceae) gehört, gibt es ca. 100 Arten, die in Südostasien, Indien und Afrika vorkommen. Als kleine Kletterpflanze wächst der Japanische Zwergblauregen (Millettia japonica) in Japan und Korea. Es besteht eine
Ähnlichkeit zum gewöhnlichen Blauregen (Wisteria), wobei die Blätter der Millettia jedoch sehr viel kleiner sind. Auch die Blüten der Millettia-Arten sind deutlich kleiner, wobei Millettia japonica ‘Hime Fuji‘ als Bonsai nur im Ausnahmefall blühen wird.
Im Herbst färben sich die sehr kleinen Fiederblätter gelb und fallen in ihren Einzelteilen ab. Diese faszinierende Pflanzenart ist sehr gut für die Bonsai-Gestaltung geeignet, da sie sich willig verzweigt und sehr gut durch Drahten und Biegen in Form bringen lässt. Die Millettia verträgt volle Sonne, wenn für ausreichende Bewässerung gesorgt ist. Am besten stellt man sie während der warmen Jahreszeit in eine mit Wasser gefüllte Unterschale. Die feine, starke Durchwurzelung erfordert ein häufiges Umtopfen. Die Überwinterung muss frostfrei erfolgen.