Michael Kenna,
Yvonne Meyer-Lohr
Nachgelesen von Ivo Drüge
Mehr durch Zufall geriet ich im Winter 2014/ 2015 in eine Fotoausstellung: „Michael Kenna – Retrospektive“, eine umfassende Schau seiner Werke über zwei Etagen in der Städtischen Galerie der Waldstadt Iserlohn.
Auf den ersten Blick war dies eine unspektakuläre Ausstellung mit ziemlich kleinformatigen Schwarzweißfotos – ich hatte etwas völlig anderes erwartet. Aktuelle Fotokünstler zeigen ja eher riesige Formate à la Gursky, die mit hochglänzender Plexiglasveredelung und ausgefallener Motivik dem Betrachter den Kitt aus der Brille hauen. Kenna ist da völlig anders – kleinformatig, schwarzweiß, analog. Gut, dann musste man wohl näher ran ans Bild. Viele Motive kamen mir bekannt vor – der Mann war in Japan. Anders als alles, was ich bisher gesehen hatte, zeigt Kenna ein Land in tiefer Ruhe und Klarheit. Der aus England stammende Landschaftsfotograf lebt mit seiner Familie in den USA – in Seattle. Ich denke, das ist einfach näher an Japan … Jeder, der schon mal in Japan war oder auch nur Bilder aus Japan kennt, weiß, dass es auf dem Archipel unglaubliche Gegensätze zwischen Kultur und Natur gibt und Japan einen eigenen „Look“ hat. Kenna befasst sich nur mit der Natur und geht dahin, wo es weh tut. Es ist fast immer kalt, nass oder dunkel, wenn der Brite seine Kamera aufstellt. Dennoch sind seine Bilder nicht düster, denn er fängt die Stimmungen mit langer, manchmal stundenlanger Belichtung ein. Hierdurch entstehen Zeichnungen bzw. Kontraste auf seinen Fotografien, die bei mittäglicher Sonneneinstrahlung nicht vorhanden wären. Darüberhinaus sind die recht minimalistischen Motive sehr grafisch gewählt, wie wir es vom japanischen „Wabi-sabi“ her kennen. Einsam, still und alt wirkt z. B. ein Kiefernmotiv, dass an einen Literatenbonsai erinnert. Die Ausstrahlung seiner Bilder ist massiv – es lohnt sich immer zweimal hinzusehen, um sich dann von den Motiven einfangen zu lassen, zu erkennen und zu staunen.
Kenna fotografiert ausnahmslos analog und entwickelt selbst. Auf die Frage, wie er sich ein Leben nach der Fotografie vorstelle, antwortet er sinngemäß „… in der Dunkelkammer“ (engl. darkroom).
Das Buch zeigt eine Vielzahl der Werke des Künstlers zum Thema Japan etwa in Originalgröße. Somit bekommt man ca. 250 grandiose Fotos zum Preis eines Buchs.
Forms of Japan. Michael Kenna, Yvonne Meyer-Lohr. 312 Seiten, Format 28,7 cm x 29,8 cm, Hardcover, Schutzumschlag, 65,– EUR
Dieser Artikel erschien in der BONSAI ART 137