Von der Faszination japanischer Innenhöfe

von Michael Freeman

Nachgelesen von Tom Heyken

Der Inselstaat Japan hält nicht viel Platz für seine Bewohner bereit. Die wenigen Stellen, die sich für eine Bebauung als Stadt eignen, sind sehr dicht besiedelt und bisweilen sehr hoch bebaut. Das Privileg, einen Innenhof zu besitzen, haben nur wenige, und die müssen sich auch mit sehr sehr wenig Platz begnügen.

Da kommt es diesen Glücklichen entgegen, in einem Land zu leben, das die Miniaturisierung als Tradition lebt und bisweilen auf die Spitze treibt (wer erinnert sich nicht gerne an seinen ersten Walkman).
Winzige Gärten ist in diesem Fall keine Übertreibung, die der Autor, ein bekannter Chronist der japanischen Garten- und Architekturkultur, einsetzt, um sein Buch interessanter zu machen. Winzig heisst im Fall der Innenhöfe teilweise nur 3,25 m², das Flächenmaß zweier Tatamis, die durch konsequente Reduktion und teilweise Strenge Platz zur Entspannung und Kontemplation bieten. Der Gegensatz der natürlichen Pflanzenformen zu den streng geometrisch aufgebauten Häusern birgt eine wohltuende und anziehende Spannung.
Natürlich gibt es auch Häuser ohne Innenhof, die den kleinen Garten an der Seite eines Hauses haben. Aber auch dieser Streifen ist dann nur wenige Dezimeter breit und lässt wenig Platz für Ausuferndes. Aber auch hier verstehen es findige Gartenbesitzer, durch Andeutungen und Komposition wahre Gartenwelten aufzubauen. Natürlich werden diese Eindrücke von den hervorragenden Fotografien unterstützt, aber ich könnte in Versuchung geraten, auch meine 4 m² Balkon zu einem Hochgarten zu verwandeln.
Auf die Spitze getrieben wird die Verkleinerung der Gärten im Kapitel Ecke. Hier werden Anlagen gezeigt, die auf kleinstem Raum in Hofecken oder Eingängen hochstilisierte Andeutungen von Garten repräsentieren. Diese vollendete Reduktion ist für uns vielleicht nur schwer nachzuvollziehen. Der Reiz, der von diesen kleinen Gartenkunstwerken ausgeht, ist dennoch enorm.
Um Form und Inhalt in Einklang zu bringen, ist auch das Buch sehr klein gehalten. Ein Vorteil, denn es passt auch in die Jacke oder die Tasche, wenn man nur einen winzigen Platz zum Träumen hat.

Winzig kleine Gärten von Michael Freeman, 224 Seiten, zahlreiche Farbfotos, Format 18 cm x 18 cm, Hardcover, Schutzumschlag, Preis 24,95 Euro

Dieser Artikel erschien in der BONSAI ART 141