Rainer Dethloff und 30 Jahre Bonsaierfahrung
Hallo liebes BONSAI ART-Team,
von hier aus Hamburg sende ich Ihnen meine Ansichten und Erfahrungen über Bonsai. Angefangen hat es bei mir 1985 mit dem Erwerb einer kleinen Japanischen Ulme, die ich heute noch besitze und sich in dieser Zeit zu einem kleinen Solitär entwickelt hat. Der kleine Baum hat viel Stress erlebt. Im Winter 1996/97 ist er fast erfroren, ganze Äste starben ab und es hat in den folgenden Jahren einige Mühe gemacht, ihn wieder aufzubauen.
Man sollte den Bonsai-Start auch einmal kritisch betrachten – es hat ja keinen Sinn, wenn sich Interessenten für die kleinen Bäume finden, die aber keinen passenden Standort, Überwinterungsmöglichkeiten oder eine Urlaubsvertretung haben. Erst Fachliteratur und danach Bonsai erwerben wäre meine Devise. Zum anderen sind es die gefährlichen Pilzkrankheiten, die vieles zunichte machen. Schädliche Insekten lassen sich in der Regel immer erfolgreich bekämpfen. Natürlich sind mir am Beginn auch Fehler unterlaufen und ich habe damals einige Bäume verloren. Hier oben im Norden sind Bonsailiebhaber dünn gesät, wir haben für die Bäume ein mitunter raues Klima, vor allem den oft sehr nassen Herbst. Es ist manchmal nicht einfach, die Bäume durch die Jahreszeiten zu bringen. Bisweilen ist es schon erstaunlich, wie sich die Pflanzen aus fernen Ländern mit ihren anderen Klimazonen im Laufe der Jahre auf unsere Wetterverhältnisse einstellen. Meine Erfahrungen mit der Bonsaipflege weichen deshalb teilweise von den Anleitungen und Ratschlägen in der Bonsailiteratur ab, betreffend Gießen, Düngen und Temperatur. So vertragen meine 4 Wacholder extreme Trockenheit. Selbst meine Fächerahorne, Ulmen und vor allem die Mispeln ertragen es, wenn das Substrat einmal völlig trocken ist. Natürlich haben – wie bekannt – Dreispitz und Ginkgo immer Durst und zeigen das ja auch sofort mit hängenden Blättern an. Unser alter Ficus steht bis Ende Oktober/Anfang November draußen, bis sich der erste Frost ankündigt. Er hat schon Tage und Nächte zwischen +5 und 0 °C problemlos überstanden. Meiner Ansicht nach ist auch das regelmäßige Düngen nicht unbedingt erforderlich, vor allem, wenn die Pflanzen ein gutes und teilweise mit etwas Humuserde angereichertes Substrat haben. In unserer Straße stehen z. B. seit 30 Jahren Wacholder und Kiefern in Stein-/Betongefäßen, die teilweise schon geplatzt sind. Die Bäume werden nie gegossen und gedüngt und die Erde ist mitunter wochenlang staubtrocken – trotzdem gedeihen sie weiterhin prächtig. Man denke hier auch einmal an Birken, die in altem Mauerwerk wachsen oder die mehrere tausend Jahre alten Wacholder, Grannen- oder Borstenkiefern, die in Nevada und Arizona auf fast nackten Felsplateaus wachsen. Die Nährstofffrage ist ja auch ein Kapitel für sich. Meine Blattgewächse stehen in etwas tieferen Schalen, das schmälert zwar ein wenig die Optik, speichert aber die Feuchtigkeit länger, falls man mal am Wochende außer Haus ist. Unsere Bäume stehen auf dem Balkon und werden im Winter in einem alten Gewächshaus mit Schale eingegraben.
Wie schon am Telefon erwähnt, war die Wurzelillustration Bestandteil einer kleinen Umwelt-Ausstellung hier in Hamburg. Zu der Zeit arbeitete ich als Grafik-Designer in einem Hamburger Verlagshaus, nebenbei arbeitete ich als freier Illustrator u. a. für Buchautoren in den USA.
Aufgewachsen bin ich in Berlin-Wannsee, sozusagen unter uralten knorrigen Kiefern, wie sie heute noch an der Havel in der Nähe der Pfaueninsel stehen. In den frühen 50er Jahren habe ich im Botanischen Garten in Berlin-Dahlem von tropischen Gewächsen Ableger geklaut und zu Hause in Gläsern zur Bewurzelung gebracht und eingetopft. Natürlich gingen einige dieser Pflanzen wieder ein. Interessant wäre es gewesen, wenn ich mich damals schon für Bonsai interessiert hätte … Aber da war ich gerade 10 – 12 Jahre alt, fühle mich aber bis heute mit der Flora und Fauna eng verbunden. Übrigens sind alle meine Bonsai – vom Erwerb bis heute – fotografisch dokumentiert, und es ist immer wieder sehenswert, wie sich die Bäume durch eigene Gestaltung im Laufe der Jahre verändert haben.
Mit Grüßen Rainer Dethloff
Dieser Artikel erschien in der BONSAI ART 133