Herbstlaub – Foto: Helmut Rüger

Uns ist bekannt, dass im Herbst, wenn es kalt wird und die Tage kürzer werden, somit weniger Licht zur Verfügung steht, sich die Blätter von Laubbäumen verfärben. Sie werden gelb, orange bis tiefrot. Aber warum? Früher hat man die Blattfärbung für einen Nebeneffekt des herbstlichen Abwurfs der Blätter gehalten. Der Bonsaigärtner weiß, gerade im Winter sind Laubbäume sehr empfindlich gegen Austrocknung. Gerade an kalten Wintertagen mit extrem niedriger Luftfeuchtigkeit können Pflanzen regelrecht vertrocknen. Das Verlieren der Blätter im Herbst dient auch zum Schutz vor dem Austrocknen im Winter. Der Baum verringert seine Oberfläche und verschließt die alten Blattansätze.


Doch was passiert nun wirklich, bevor die Blätter abgeworfen werden und sie gelb und rot werden? Genau genommen werden sie gar nicht gelb sondern nur weniger grün. Denn Chlorophyll macht die Pflanzen grün und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Fotosynthese stattfindet, d.h., durch Sonnenlicht wird in einem biochemischen Prozess Energie für die Pflanze gewonnen. U.a. werden aus energiearmen, anorganischen Stoffen, wie Wasser und Kohlendioxid, energiereiche organische Verbindungen wie Kohlenhydrate synthetisiert. Der für uns überaus wichtige Nebeneffekt ist die Abgabe von Sauerstoff.
Die Zeit der grünen Blätter endet nun mit Beginn des Herbstes. Jetzt finden in den Pflanzen zahlreiche Umbaumaßnahmen statt. Die in den Blättern enthaltenen Nährstoffe sind für den Baum äußerst wichtig und werden für das Wachstum nach der Ruhephase im kommenden Frühjahr gebraucht. Zu diesem Zweck baut die Pflanze das wertvolle grüne Chlorophyll ab und entzieht den Blättern somit Stickstoff und Phosphat sowie weitere wichtige Bestandteile. Übrig bleiben nun sogenannte Carotinoide, die jetzt für unsere Augen sichtbar werden – das Blatt ist nun gelblich. Dieser Pflanzenstoff, der schon die ganze Zeit im Blatt enthalten war, dient u.a. dazu, übermäßige Lichteinstrahlung zu kompensieren und somit die Chlorophyllmoleküle zu schützen.
Besonders von Ahornen kennen wir die auffällige Rotfärbung der Blätter im Herbst – aber auch im Frühjahr. Die dafür verantwortlichen Stoffe heißen Anthocyane. Diese Farbstoffe sind auch in vielen roten Blüten und Früchten vorhanden. Bei der roten Blattfärbung dienen Anthocyane vor allem im Frühjahr und im Sommer dem Schutz der Blattzellen vor zu starker Sonneneinstrahlung. Bei Ahornen kann man dies sehr gut auch im Sommer beobachten. Im Gegensatz zu den gelben Farbstoffen, s.o., liegt der rote Farbstoff größtenteils in den äußeren Zellschichten und dient als ein UV-Filter, der die Entstehung gefährlicher freier Radikale und der Schädigung der Zellkerne vorbeugt. Ist die UV-Strahlung zu hoch, so sind viele Pflanzen in der Lage, durch Botenstoffe die Produktion der roten Farbstoffe zum Schutz der Blätter anzuregen. Im Herbst kommen kalte Temperaturen hinzu, die den Pflanzen zusätzlichen Stress bereiten. Es gibt allerdings verschiedene Ansätze, die die rote Färbung erklären. Da im Herbst der Baum sehr damit beschäftigt ist, möglichst viele wertvolle Stoffe aus den Blättern zu recyceln, bevor sie abgeworfen werden, wird angenommen, dass die Rotfärbung auch bei diesem Prozess das Blatt schützt. Beim Recyceln sollen eben möglichst wenige freie Radikale aufgenommen werden, die in einem ungeschützten Blatt bei starker herbstlicher Sonnenstrahlung entstehen würden. Weiterhin schützten Anthocyane das Blattgewebe und dienen dazu, dies im Herbst länger zu erhalten.

Schädling – Foto: Helmut Rüger Nun gibt es aber noch eine weitere spannende Theorie, die der bedeutende, aber bereits im Jahr 2000 verstorbene britische Evolutionsbiologe William Hamilton entwickelt hat. Nach dessen Tod veröffentlichte Sam Brown, einer seiner Schüler, die weiterentwickelte Theorie im Namen des verstorbenen Forschers. Zusammengefasst besagt die Arbeit, dass die Färbung der Blätter ein Warnsignal für Insekten sei. Es gibt viele Insekten, die im Herbst Bäume befallen, um dort ihre Eier abzulegen – z.B. Blattläuse, Motten etc. Im Frühjahr können dann die schlüpfenden Larven erhebliche Schäden an den jungen Blättern und somit am ganzen Baum verursachen. Völlig vitale Bäume haben wenig Probleme mit Schädlingen. Das liegt daran, dass starke Pflanzen in der Lage sind, Abwehrstoffe in ihren Blättern einzulagern, mit denen Blattläuse und andere Schädlinge erschwert klarkommen. Die Hypothese nach Hamilton und Brown besagt nun, je intensiver die Herbstfärbung eines Baumes ist, desto gesünder ist er. Dies bedeutet den Insekten, dass sie an diesem wehrhaften Baum geringere Überlebenschancen für ihre Brut antreffen. Sie suchen sich folglich einen Baum mit geringer ausgeprägter Blattfärbung.
Es wird wohl weiterhin daran geforscht werden. Brown und weitere britische Biologen schließen nicht aus, dass bei den anstehenden Ergebnissen eine multifunktionale Struktur gefunden wird, die weder das eine noch das andere ausschließt. Die Natur hat‘s eben drauf.

Dieser Artikel erschien in der {ln:BONSAI ART 104 'BONSAI ART 104}