Ein Substrat fährt um die Welt
20.000 km reist Akadama von Japan über die Weltmeere nach Deutschland, dachte ich erneut und fragte mich, ob dies denn wirklich nötig ist. Klar, Akadama ist bewährt und ich will an dieser Stelle dem Granulat kein Haar krümmen bzw. die Qualität in irgendeiner Form in Frage stellen, doch fuchst es mich immer wieder, dass ein Produkt, das nicht gerade High-Tech ist, unbedingt aus Japan kommen muss.
In einem Gespräch mit Hermann Pieper von der Bonsaischule Enger brachte ich dieses Thema an und Hermann sagte, dass er seit geraumer Zeit an einer Lösung arbeitete – ich war gespannt.
Nun will ich nicht unterschlagen, dass viele Bonsaihändler und Gestalter längst entsprechende „Hausmischungen“ nutzen bzw. auch vertreiben. Dennoch bleibt Akadama weiterhin das Substrat, auf das sich die Japaner verlassen. In nun einigen Jahrzehnten Bonsaikultur in Europa ist die Japanware etabliert – niemand wird sagen, Akadama funktioniere nicht.
Einige Monate später habe ich dann der Bonsaischule in Enger einen Besuch abgestattet. Wer Hermann und Michaela Pieper sowie ihr Team kennt, weiß, dass in Enger nicht geschwätzt, sondern gemacht wird. Dreißig Jahre Erfahrung mit Bonsai, insbesondere in den Bereichen Anzucht und Vermehrung, sprechen für sich. Hermann Pieper trifft man in der grünen Latzhose eines Gärtners – voller Energie und immer davon getrieben, den Betrieb zu verbessern.
Nun war ich gespannt und hatte die Vorstellung, es handelte sich um eine Art Substrat, das Akadama wohl sehr ähnlich sein sollte. Aber erst mal musste ja ein Name her. Nach vielen Überlegungen, so erzählte Hermann, hatte Anke Krone, eine neue Mitarbeiterin, die richtige Idee: Nichts mit „Bon“, denn „Bon“ heißt doch Schale. „Sai“, das heißt Baum! Also Baumerde – TerraSai. Was macht also dieses Produkt aus? Erstmal sei erwähnt, dass Piepers seit langer Zeit mit befreundeten Kollegen und Koryphäen wie Helmut Rüger und Dipl. Ing. Ulli Fendrich dieses Thema erörterten und verschiedene Ansätze ausprobierten. Die Bonsaischule hat natürlich das Potenzial, an sehr vielen verschiedenen Pflanzen zu testen, so dass ein erstaunliches Ergebnis herausgekommen ist. Es gibt kein Standardsubstrat für Bonsai, sondern eine Erdenreihe, abgestimmt auf die speziellen Ansprüche der verschiedenen Entwicklungsstufen, Größen und Ansprüche einer Pflanze. Das klingt logisch – ein Indoorbonsai (subtropische Pflanze) braucht eine andere Mischung als eine Solitärkiefer – na klar! Desweiteren erfahren Bonsaisubstrate einen dynamischen Prozess, sobald eine Pflanze in ihr steht. Die Beschaffenheit des Gießwassers sowie Art und Menge des Düngers sorgen auch für physikalische und chemische Veränderungen der Erde. Die Prüfergebnisse zeigen jedoch, dass diese sechs verschiedenen differenzierten Mischungen den Stresstest überstehen – sie sind besonders strukturstabil und zeichnen sich durch eine gute Wasser- und Luftführung über einen längeren Zeitraum aus. Darüber hinaus verfügt TerraSai auf Grund verschiedener mineralischer Zugschlagstoffe über verbesserte Werte hinsichtlich der Nährstoff- und Wasserspeicherkapazität sowie des Puffervermögens (Ausgleich des ph-Wertes), so Hermann Pieper. Allerdings sollte die Beschaffenheit des Substrates eines Bonsai auch gelegentlich vom Fachbetrieb gemessen und beurteilt werden. Dank moderner Messmethoden kann der Fachmann dem Hobbyisten fundierten Rat geben.
Im Ganzen haben mich die differenzierte Herangehensweise, die langjährige Erfahrung und die Testreihen kompetenter Fachleute in einem renommierten Betrieb überzeugt. Letztlich ist es aber jedem selbst überlassen. Es gibt immer verschiedene Sichtweisen, die alle ihre Richtigkeit haben. „Never change a winning Bonsaierde“ oder „Nur wer Neues probiert, kann auch was verbessern“ – ich sehe durchaus bei einem konservativen wie auch bei einem progressiven Ansatz Vorteile. Allerdings möchte ich weiterhin kein Wasser aus fernen Ländern trinken, wenn es aus dem Hahn kommt. Ob TerraSai oder die Hausmischung Ihres Händlers in der Nähe – es lohnt sich sicher, auch aus ökologischer Sicht, diese einmal auszuprobieren.
Von Ivo Drüge
Dieser Artikel erschien in der {ln:BONSAI ART 111 'BONSAI ART 111}