Bjorn Bjorholm,
Bonsaiprofi aus den USA
von Heike van Gunst
Wann und wie bist Du mit Bonsai in Kontakt gekommen?
Das erste Mal habe ich Bonsai wahrgenommen, als ich mit zwölf Jahren die „Karate Kid“-Filme ansah. Zu meinem 13. Geburtstag wünschte ich mir meinen ersten Baum und von da an wurde Bonsai zur Besessenheit, wie bei so vielen von uns.
Ab wann hast Du Dich ernsthaft mit Bonsai beschäftigt?
Im Alter von 16 Jahren begann ich, ernsthaft mit Bonsai zu arbeiten, als ich bei der Gründung der Knoxville Bonsai Society und bei der Regionalen Tennessee Bonsai-Ausstellung mitwirkte. Nach meinem Universitätsabschluss reiste ich nach Japan, um als Bonsai-Lehrling bei Meister Keiichi Fujikawa in der Kouka-en Bonsaigärtnerei in Osaka anzufangen. Ich blieb dort als Lehrling von 2008 bis zum April 2015, als ich meine Lehre abschloss und als zertifizierter Bonsai-Profi bei der Japanischen Bonsai-Vereinigung registriert wurde.
Wie sah Dein Werdegang in Bezug auf Bonsai aus?
Während meiner ersten Jahre der Beschäftigung mit Bonsai experimentierte ich mit jeder Baumart, die ich finden konnte, was natürlich dazu führte, dass ich viel zu viele Bäume minderer Qualität ansammelte (wie es viele von uns tun). Erst während meiner Lehrzeit in der Kouka-en Bonsaigärtnerei begann ich die Bonsaikunst wirklich zu verstehen. Ich verdanke meine gesamte Einstellung zu Bonsai meinem Oyakata (väterlichen Lehrer), Herrn Fujikawa, dessen Stil eher leise, einfach und vor allem verfeinert bis zum höchsten Qualitätsstandard ist.
Was bedeutet Bonsai für Dich persönlich?
Bonsai bedeutet für mich als Profi meinen Lebensunterhalt. Wie bei vielen Dingen, die als Hobbys beginnen und sich zu einer Karriere entwickeln, hat sich die Bedeutung von Bonsai für mich über die Jahre verändert. Sehr leicht kann man die anfängliche Leidenschaft für Bonsai verlieren, wenn man es zum Beruf macht. Dies ist jedoch bei mir nicht geschehen. Ich habe mir das gleiche hohe Level an Leidenschaft für Bonsai bewahrt (vielleicht ist sie sogar noch größer geworden), die ich als Kind schon hatte. Ich glaube, wir alle kommen zu Bonsai, weil wir ein gewisses Maß an Genuss und Spaß daran finden, damit zu arbeiten. Ich nehme meine Arbeit und meine Einstellung zur Kunst sehr ernst, aber ich versuche, mich selbst nicht genauso ernst zu nehmen. Bonsai macht Spaß, und das sollte auch so bleiben.
Beschäftigt sich noch jemand aus Deiner Familie mit Bonsai?
Als ich mit 13 anfing, mich mit Bonsai zu befassen, entschloss sich mein Vater, mitzumachen, als Vater-Sohn-Hobby. Er ist nun der Präsident der Knoxville Bonsai Society und unterhält eine beeindruckende Sammlung in Tennessee.
Hattest Du einen bzw. mehrere Lehrmeister?
Mein erster Lehrer war Warren Hill, der frühere Kurator des US National Bonsai Arboretum in Washington, D.C. Jedoch verdanke ich mein gesamtes heutiges Können meinem Oyakata, Mr. Fujikawa, von der Kouka-en Bonsaigärtnerei. Während der vergangenen sieben Jahre, die ich mit Herrn Fujikawa gelebt und für ihn gearbeitet habe, hat sich zwischen uns eine familiäre Beziehung entwickelt.
Nimmst Du an nationalen bzw. internationalen Ausstellungen teil?
Ich habe Bonsai für die Kokufu-ten, Taikan-ten und Sakufu-ten, den großen japanischen Ausstellungen gestaltet und vorbereitet, genauso wie für die US-Amerikanische Nationalausstellung. Auch war ich bei diversen nationalen Ausstellungen in der Jury, wie bei der UBI-Ausstellung in Italien.
Gibt es Veröffentlichungen von Dir?
Artikel von mir wurden im Kinbon Magazin, in Bonsai Focus, International Bonsai und im ABS Journal veröffentlicht. Aktuell veröffentliche ich auch eine Kolumne für GSBF Golden Statements in Kalifornien. Darüber hinaus produziere ich die bekannte Video-Reihe „The Bonsai Art of Japan“ auf YouTube und habe die als Download käuflichen Masterclass-Videos über Wacholder und Ahorne und den Film „Continuum“ über das Bonsaijahr in Japan veröffentlicht. In Zusammenarbeit mit Bonsai Empire habe ich einen Bonsai-Onlinekurs entwickelt, der erst seit kurzer Zeit zugänglich ist und sich schon großer Beliebtheit erfreut.
Hast Du Schüler?
Ich bin der Mitbegründer und Schulleiter der Fujikawa International School of Bonsai in der Kouka-en Bonsaigärtnerei in Osaka. Wir beherbergen Schüler aus der ganzen Welt im Verlauf des Jahres. Auch reise ich etwa sechs Monate im Jahr und leite Workshops in Asien, Europa, Australien und den USA.
Wie viele Bäume hast Du momentan in Deiner Sammlung?
Das ist schwer zu sagen, weil ständig Material in meinen Besitz kommt und wieder geht. Insgesamt besitze ich vielleicht 200 Bäume an mehreren Orten in der Welt.
Hast Du einen Lieblingsbaum? Wenn ja, warum?
Am liebsten arbeite ich mit der Japanischen Aprikose (Prunus mume). Der Kontrast zwischen den einfachen, zierlichen Blüten und der knorrigen, rauen Borke kann unglaublich stark und faszinierend sein. Wir pflegen einige der weltbesten Exemplare in der Kouka-en Bonsaigärtnerei in Osaka.
Was ist für Dich das Wichtigste bei der Bonsaipflege und -gestaltung?
Am wichtigsten finde ich es, die Vorgänge hinter dem zu verstehen, was wir bei der Gestaltung und Pflege der Bonsai tun. Viel zu oft liegt der Fokus auf der Kunst und den Design-Aspekten, aber für mein Empfinden muss größerer Wert auf die wissenschaftlichen und praktischen Elemente gelegt werden. Das Verständnis der evolutionären Geschichte der Baumarten, mit denen wir arbeiten, gibt uns die Bandbreite von Optionen vor, die wir beim Gestaltungsprozess und bei der Pflege verwenden können.
Wie würdest Du Deine Art der Bonsaigestaltung beschreiben?
Man hat mir gesagt, dass mein Stil (der meines Erachtens komplett den Stil von Herrn Fujikawa widerspiegelt) verfeinert und elegant sei. Es gibt einen schmalen Grat zwischen fein ausgestalteten Bonsai und den schrecklich künstlich wirkenden „Plastik“-Bonsai. Ich möchte glauben, dass ich diese Gratwanderung ganz gut schaffe.
Gibt es Bonsaikünstler und Bonsaischalentöpfer, die Du bewunderst?
Ich bin ein großer Fan von Shinji Suzukis Stil. Es ist meiner Meinung nach schwierig, mit der Qualität der antiken chinesischen Kowatari- und Nakawatari-Schalen zu konkurrieren. Wenn man jedoch die heutigen Töpfer betrachtet, finde ich, dass Leute wie Tom Benda ihr Handwerk wirklich zu neuen Höhepunkten bringen. Ich mag seinen Ansatz, wie er Kunst und Handwerk der Keramik ins Gleichgewicht bringt.
Wie beurteilst Du die Entwicklung und die Zukunft von Bonsai in Europa und der Welt?
Dies ist wahrscheinlich die aufregendste Zeit, um in Bonsai involviert zu sein, da die Bonsaikunst gerade einen globalen Boom an Interesse und Herangehensweise durchmacht. Die Yamadori, die jetzt in Europa und den USA gesammelt werden, haben genauso viel Potenzial wie die in Japan, und der Fokus auf Technik und künstlerischem Anspruch verstärkt sich überall rapide. Es ist ein Privileg, Teil dieser Entwicklung zu sein.
Hast Du spezielle Projekte für die Zukunft geplant?
Einige große Projekte habe ich gerade in Arbeit, unter anderem die Einrichtung einer Bonsaigärtnerei und Bonsaischule in den USA ab 2017. Wenn alles nach Plan läuft, werde ich in dem Jahr von Japan zurück in die USA ziehen, um dort meine Bonsaigärtnerei und -schule zu betreiben, zusätzlich zu meinem globalen Reisepensum.
Welche Tipps würdest Du einem ambitionierten Bonsaigestalter mit auf den Weg geben?
Um einen Slogan von Nike zu klauen: Do It. Mach es. Ich glaube, man neigt sehr leicht dazu, sich selbst zu entmutigen und zu glauben, dass die eigenen Vorstellungen und Wünsche, in der Bonsaikunst weit zu kommen, illusorisch und unerreichbar sind. Während der Schulzeit habe ich Bonsaibücher mit mir herumgetragen, was zwangsläufig dazu führte, dass ich regelmäßig deswegen fertiggemacht wurde. Aber das Thema Bonsai weiterzuverfolgen war für mich das Wichtigste auf der Welt. Ich möchte auch sagen, dass in der Bonsaiwelt kein Platz für große Egos sein sollte. Es ist doch so, als Bonsaikünstler retten wir nicht die Welt oder heilen Krankheiten, wir spielen mit kleinen Bäumen, also bewahrt Euch den Spaß dabei und haltet Eure Egos im Zaum!
Welche Tipps würdest Du einem Einsteiger mit auf den Weg geben?
Arbeite den Onlinekurs für Bonsai-Anfänger auf Bonsai Empire durch oder schau Dir die Videoreihe „The Bonsai Art of Japan“ auf YouTube an! Ist natürlich (zum Teil) spaßig gemeint. Ganz im Ernst dagegen, gehe es langsam an, übertreibe es nicht und konzentriere Dich auf Qualität und nicht auf Quantität.
Bjorn Bjorholm im Internet: www.bjorvalabonsaistudio.com
Erschienen in BONSAI ART 134