Große Ausstellung der Zwergbäume

Der Podcast "Auf den Tag genau" präsentiert täglich eine Zeitungsnachricht aus der Welt vor hundert Jahren.

Eine ganz besondere Folge brachte uns auf die Spur einer Ausstellung von Ostasiatischer Kunst, die 1921 im Hohenzollern-Kunstgewerbehaus in Berlin stattfand.

Die 2007 erschienene Sonderpublikation „100 Jahre Bonsai Deutschlands“, die damals anlässlich der Jubiläumsausstellung in Dresden-Pillnitz herausgebracht wurde, beschreibt die Geschichte von Topfbäumen und Bonsai in Deutschland und erwähnt insbesondere die erste Bonsai-Ausstellung hierzulande im Rahmen der 3. Internationalen Gartenbau-Ausstellung im Mai 1907.


 Bonsai in Berlin vor 100 Jahren
Das Hohenzollern-Kunstgewerbehaus,
hier das Geschäftshaus in der Budapester Straße 8, wurde 1938 liquidiert,
da Mitinhaber Friedmann Jude war. Der Fotograf dieses Bildes ist unbekannt

 

Sicherlich weniger bekannt ist, dass bereits drei Jahre nach Ende des ersten Weltkrieges in Berlin wieder Bonsai zu sehen waren.

Im Berliner Tageblatt vom 31. Januar des Jahres 1921 beschrieb Professor Dr. Paul Graebner, Kurator am Botanischen Museum in Berlin, die inmitten der Kunstgegenstände aufgestellten „Zwergbäume“ und „Miniaturgärten“ in vielen Einzelheiten. In der Podcast-Folge „Große Ausstellung der Zwergbäume“ verliest Frank Riede den begeisterten Artikel des Botanik-Professors. Unter anderem ist diese Zeitung im ZEFYS, dem Zeitungsinformationssystem der Staatsbibliothek zu Berlin, in digitalisierter Form im Internet zu finden.

 

 Bonsai in Berlin vor 100 Jahren

"Durch eigenartige Manipulationen versteht man es dort, in Töpfen und auch im Freien uralte Gehölze zu ziehen, die nur wenige Dezimeter hoch sind, einen dicken knorrigen Stamm besitzen und die Pracht ganz alter Bäume zeigen."
Professor Dr. Paul Graebner im Berliner Tageblatt vom 31.1.1921

Obwohl in den damaligen Tageszeitungen keine Fotos oder sonstige Illustrationen üblich waren, kann man sich z. B. die von Professor Graeber beschriebenen Kirsch- und Apfelblüten gut vorstellen, die mit den Kunstgegenständen ausgestellt wurden. Seine Betrachtung der gezeigten Bonsai ist für uns von besonderem Interesse:

„Die Ausstellung im Hohenzollern-Kunstgewerbehaus (Friedmann u. Weber) hat im Zusammenwirken mit dem Gartenkünstler (Hermann Rothe) etwas ganz Eigenartiges geschaffen: einer der charakteristischen Züge der chinesisch-japanischen Gartenkunst sind bekanntlich die Zwerggärten. Durch eigenartige Manipulationen versteht man es dort, in Töpfen und auch im Freien uralte Gehölze zu ziehen, die nur wenige Dezimeter hoch sind, einen dicken knorrigen Stamm besitzen und die Pracht ganz alter Bäume zeigen.
 
Da diese Zwergbäume, die vor dem Kriege häufig bei uns eingeführt wurden, augenblicklich kaum noch zu haben sind, da sie entweder abgestorben sind oder sich unnatürlich vergrößert haben, hat die Ausstellungsleitung es verstanden, vollgültigen Ersatz zu schaffen. In geschickter Weise sieht man neben zwei echten ostasiatischen Zwergbäumen niedrige Azaleen und andere, die sich dem Charakter des Zwerggartens mit feinen niedlichen Brückchen usw. voll anpassen.“ 
 
 Bonsai in Berlin vor 100 Jahren
 
Die Erkenntnis, dass vor dem 1. Weltkrieg tatsächlich Bonsai in nicht geringer Anzahl nach Deutschland importiert wurden, ist durchaus bemerkenswert.
 
Was mit diesen jedoch geschah, verwundert weniger, denn noch heute gehen Bonsai bei unbedarften Laien häufig bald ein oder wachsen unbeschnitten aus der Form. Dass selbst ein Botaniker diese Vergrößerung als „unnatürlich“ bezeichnet, belegt das geringe Wissen über die fachgerechte Bonsai-Pflege zu dieser Zeit.
 
 Bonsai in Berlin vor 100 Jahren
 
Es sollte ja immerhin noch bis Anfang der 1970er Jahre dauern, bis sich Bonsai in Deutschland als Hobby mit dem Anspruch, die Pflege und Gestaltung fundiert zu erlernen, langsam zu etablieren begann.

Die „Alt-China“-Ausstellung im Hohenzollern-Kunstgewerbehaus fand offenbar große Beachtung beim Publikum und in den Zeitungen der Reichshauptstadt. Auch die Berliner Börsenzeitung vom 2. Februar 1921 widmete der Ausstellung einen Artikel, in dem die Redakteurin Paula Bauer jedoch ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die Beschreibung der gezeigten unbelebten Kunstobjekte richtet und die gesehenen Blumen und Pflanzen nur kurz positiv erwähnt, ohne aber die Bonsai explizit zu nennen.

In der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 3. Februar 1921 konzentriert sich die Journalistin Thea von Puttkamer vor allem auf die schwelgerische Beschreibung der in der Ausstellung befindlichen Orchideen.

In allen drei Artikeln kann man herauslesen, dass kaum zwischen chinesischer und japanischer Kunst unterschieden und beides als ostasiatisch quasi in einen Topf geworfen wurde.
 
Die Begeisterung ist jedoch allen drei Autoren gemeinsam und offensichtlich war die vermutlich (wie damals im Hohenzollern-Kunstgewerbehaus üblich) zwei Wochen dauernde Ausstellung ein Publikumserfolg, wie von Puttkamer in der Einleitung ihres Artikels beschreibt:
 
„Vor dem Hause in der Budapester Straße, das so oft köstlicher Rahmen war für köstliche Dinge in erlesener Auswahl, steht jetzt ein rotes chinesisches Tor. Breiter Menschenstrom folgt der diskreten Lockung, wälzt sich um Vitrinen, deren gläserne Wände Schätze Alt-Chinas aus Porzellan, Glas, Jade, Elfenbein behüten, um einen Miniaturgarten, um Blütebäumchen, Kakteenigel, bronzene Höllenhunde, um eine Orchideeninsel.
Die Aussteller strahlen – mit Fug und Recht, der Aesthet seufzt und wäre gern eine Stunde allein mit östlicher Kunst und südlichen Pflanzen.“

Leider konnten trotz ausgiebiger Recherche keine Bilder und kein Katalog der Veranstaltung ausfindig gemacht werden. Das Hohenzollern-Kunstgewerbehaus hat damals nicht zu jeder seiner Ausstellungen einen Katalog produziert und es existiert allgemein nicht mehr viel derartiges Material, da das Haus leider 1938 liquidiert wurde, weil Mitinhaber Friedmann Jude war.
 
Die Entdeckung der Podcast-Macher Robert Sollich, Jan Fusek und Fabian Goppelsröder hat mich auf eine faszinierende Zeitreise geschickt, bei der ich mich in verschiedene Berliner Zeitungen von Januar und Februar 1921 vertieft und Veröffentlichungen über den Handel mit Kunst und Kunstgewerbe im damaligen Berlin gelesen habe. Sich Bonsai in diesem Kontext vorzustellen hat seinen Reiz.
(HvG)

167 Bonsai in Berlin 05 th 

AUF DEN TAG GENAU
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Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch manchmal näher ist, als man meinen möchte.
Mit Dank an Andreas Hildebrandt und Anne Schott.

Dieser Podcast wird produziert von Jan Fusek, Fabian Goppelsröder und Robert Sollich