Ein Wacholder-Bonsai aus Deutschland, bekannt in der ganzen Welt | von Silvia Kadasch

Es gibt in meiner Bonsai-Sammlung einen Wacholder, den ich emotional betrachtet als meinen Lieblingsbaum bezeichnen würde. Auf jeden Fall ist er mein bekanntester Baum. Im Jahr 2000 entdeckte ich ihn als Rohling bei Pius Notter. Der Wacholder stammte aus Japan, besaß einen stark gewundenen Stamm und perfekt aufgepfropfte Äste der Sorte Itoigawa.

Nach zwei lehrreichen und unterhaltsamen Workshop-Tagen konnte sich das Resultat sehen lassen. Der Baum wurde in eine Mondschale gepflanzt, in der er viele Jahre wuchs.

Silvia Kadasch: Omnipräsent

Der bekannte Wacholder ziert unter anderem die Titelseiten dieser Lehrbücher aus Burma, den USA und des kleinen Bändchens des Schweizer Autors Gilles Kröger.

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Im Jahr 2001 entschied ich mich, im Rahmen der Taikanten am Japan Airlines Foto Contest teilzunehmen. Ich schickte ein Bild meines Wacholders ein und bekam drei Monate später Post aus Japan. Mein Bonsai war bei über 500 Einsendungen aus aller Welt unter die besten 100 gekommen. Anschließend konnte ich meinen Baum in vielen Büchern, Internetauftritten und Werbegestaltungen wiederfinden. Offenbar übte der Baum mit seiner unverwechselbaren Stammform und der Mondschale auf viele Leute eine besondere Faszination aus.

Als in Dresden 2007 das Jubiläum „100 Jahre Bonsai in Deutschland“ gefeiert wurde, gewann mein Wacholder bei der Ausstellung in der Orangerie von Schloss Pillnitz den Publikumspreis. Im selben Jahr durfte ich den Baum auf Einladung von Danny Use auch beim 6. Ginkgo Award
in Belgien ausstellen. Der Wacholder entwickelte sich in den folgenden Jahren prächtig weiter. Während meiner Bonsai-Lehrerausbildung wurde mit der Hilfe von Bonsai-Meister Iwao Katagiri die Krone des Baumes verbessert und eine neue Schale gewählt.

Im Jahr 2015 unternahmen mein Partner und ich eine Rundreise in Myanmar, wo Bonsai noch in den Kinderschuhen steckt. Überraschend lernten wir im tiefsten Landesinneren, am Inle-See, einen privaten Bonsai-Liebhaber kennen. Wir durften seinen kleinen Garten besichtigen
und er zeigte uns ein burmesisches Bonsai-Buch. Ich staunte nicht schlecht, als ich meinen Wacholder-Bonsai auf dem Titelbild und im Inneren des Buches fand. Ich wundere mich immer wieder, wo überall Bilder von meinem markanten Wacholder auftauchen. Ein Freund brachte mir ein Bonsai-Lehrbuch aus den USA mit, dessen Titelseite mein Baum ziert, und sogar auf einer japanischen Speisekarte in Omiya wurde er abgebildet.

In den meisten Fällen wurden meine Fotos ohne Wahrung der Bildrechte verwendet. Vielleicht sollte ich meine Bilder in Zukunft mit einem Wasserzeichen schützen.

Erst kürzlich wurde ich von der BONSAI ART darauf hingewiesen, dass sich mein Wacholder auch auf dem Titelbild des Büchleins „Bonsai für Männer” befindet (Anm. der Red.: mehr zu diesem Buch in unserer neuen Kolumne „Blattschnitt“ auf Seite 6). Ob dem Autor wohl bewusst war, dass er einen Frauen-Bonsai für sein Männerbuch gewählt hat?