Interview mit Jan Culek

Jan Culek aus der Tschechischen Republik wurde 1985 geboren und ist Künstler und Felsenkletterer, der Bäume, Berge und Bonsai liebt. Es liegt nahe, dass er sich als Bonsai-Profi besonders für Felsenpflanzungen interessiert. Die künstlichen Felsen, die Jan für diesen Zweck herstellt, gehören wohl zu den besten der Welt.

 Interview Jan Culek
Mehr über Jan und seine Arbeiten unter janculekbonsai.com


Wie wird Dein Nachname eigentlichkorrekt ausgesprochen? Eher wie “Kulek” oder “Tsulek”?
Auf Tschechisch wird mein Name eigentlich „Tsulek“ ausgesprochen,  aber außerhalb meines Heimatlandes sagen die meisten Leute „Kulek“ und ich habe mich daran gewöhnt. Es klingt cooler!

Wie ist Bonsai in Dein Leben getreten? Was war damals das Faszinierende daran und was ist es heute?
Mein erster Kontakt mit Bonsai kam zustande, als ich in der Bibliothek meiner Großmutter ein Bonsai-Buch fand. Damals war ich etwa zehn Jahre alt. Während meiner Teenagerjahre hatte ich dann eine kleine Sammlung von Indoor- und Outdoor-Bäumen. Aber später begann ich mit dem Felsenklettern und wegen der vielen Reisen zu den Kletter-Spots in ganz Europa wurde es zu schwierig, die Bäume gesund zu erhalten. So hörte ich für einige Jahre wieder auf mit Bonsai. Als ich später mein Studium abschloss, entschied ich mich, wieder anzufangen und mich ganz auf Bonsai zu konzentrieren.

Das Faszinierende an Bonsai ist für mich damals wie heute der Kontakt mit Lebewesen – Bäumen und anderen Pflanzen. Bei ihnen gibt es ständige Veränderung, Wachstum und Entwicklung. Die Natur selbst ist ein großes Mysterium und Bonsai ist eine wunderbare Art, all dies zu genießen.

Interview Jan Culek
Steinschale mit den Maßen 50 cm x 40 cm.
Sie hat eine wilde Textur und viele Details und Löcher. Die Steinschalen und -platten sind von oben und unten gleich gut gemacht, so dass man sie auch umgedreht verwenden kann

Interview Jan Culek
Eine große Steinschale mit den Maßen 70 cm x 45 cm.
Die rostfarbene Oberfläche ist sehr beliebt, aber nicht alle unsere Steine haben sie zwangsläufig. Wir können alle Farbschattierungen von weiß über hellgrau bis dunkelgrau und schwarz herstellen, mit unterschiedlicher Ausprägung der rostigen Oberfläche, so dass wir alle Kundenwünsche erfüllen können. Verschiedene Bäume brauchen verschiedenfarbige Steine, um eine harmonische Kombination zu erzielen

Du hast Kunstgeschichte studiert und als Kunstlehrer gearbeitet. Weshalb hast Du Dich entschieden, Vollzeit-Bonsai-Profi zu werden?
Ja, Kunstgeschichte, Malen und Zeichnen waren meine Leidenschaft seit der Kindheit und bilden auch meinen beruflicher Hintergrund. Ich habe drei Jahre im tschechischen Bildungssystem als Kunstlehrer gearbeitet, aber das war mehr als genug für mich und ich wollte so schnell wie möglich daraus fliehen und meinem inneren Drang folgen, Bonsai zu machen. Irgendwie habe ich als Kunstlehrer am Gymnasium nicht meinen Weg und keine ausreichende Motivation gefunden. Ich wusste, dass ich einen sicheren Lebensweg verlassen würde, der zwar nicht besonders aufregend, aber risikolos und beständig war. Aber ich wollte unabhängig sein, an meinen eigenen Projekten arbeiten, neue Dinge erschaffen und mich auf Bonsai fokussieren. Mein Ziel war, mein Leben zu verändern und das zu meinem Hauptberuf zu machen, was ich wirklich gerne tue. Herauszufinden wie das gehen konnte war damals eine große Herausforderung, aber nach einigen Höhen und Tiefen, Fehlschlägen und Irrtümern fing es an zu funktionieren.

Liegt Dein Fokus mehr darauf, Felsen, Felsenpflanzungen, Bonsai, Rohmaterial oder Zubehör zu verkaufen oder zu lehren und Demos zu geben?
Es ist eine Mischung aus all diesen Dingen. Ich versuche in allen diesen Bereichen aktiv zu sein. Meine Partnerin Martina und ich stellen jedes Jahr eine limitierte Kollektion von neuen Produkten her, mit Steinen und Steinplatten in verschiedenen Formen und Größen. Auch fertigen wir Steine nach Maß und Wunsch für unsere Kunden an. 

Ich arbeite viel an Bäumen und wenn sie eine gewisse Reife erreichen, biete ich sie zum Verkauf an. Genauso ist es mit den Felsenpflanzungen. Ich gestalte eigene Kompositionen in verschiedenen Größen und Formen. Rohes Yamadori-Material verkaufe ich nicht, denn sonst würde ich mich um den interessantesten Part meines Berufs bringen: Die Arbeit an den Bäumen. Ich biete Workshops und Demos an. Jedes Jahr leite ich mehrere Workshops und nehme als Demonstrator an Bonsai-Ausstellungen teil.

Interview Jan Culek
Rodellar in Spanien ist ein berühmtes  Kletterparadies.
Martina und Jan fanden dort außerdem viel Inspiration für ihre Felsenkreationen

Wer ist Dein Bonsai-Meister und wer hat Dich sonst noch beeinflusst?
Einen Bonsai-Meister habe ich nicht und das ist in Ordnung für mich. Mir liegen diese märchenhaften Geschichten vom Meister und Lehrling nicht, die man oft in der Bonsai-Welt zu hören bekommt. Aber als ich ein junger naiver Bursche war, träumte ich auch von einer Lehre bei  einem Bonsai-Meister mit all diesen coolen Dingen. Heute muss ich darüber lachen. Wie viele andere Bonsai-Neulinge habe ich damals alle Videos und Spielfilme über die berühmten japanischen Bonsai-Meister angeschaut. Allgemein beeinflussen mich Individualisten mit einer starken Vision und einer kreativen Herangehensweise am meisten. Ich bewundere die Art von Ryan Neil sehr und ich bin stolz, dass wir Geschäftspartner und Kollegen sind. In Europa ist es Danny Use, der mich am meisten beeinflusst und der mir am meisten beigebracht hat. Außerdem bin ich sehr dankbar für die Zeit mit Václav Novák am Beginn meines Bonsai-Weges.

Wie hat sich Deine Leidenschaft für Felsenpflanzungen entwickelt?
Die hatte ich schon von Anfang an, denn ich bin fasziniert von Felsen. Ich liebe es Felsen herzustellen und Felsenpflanzungen zu gestalten. Was sich entwickelt hat, ist meine Technik bei der Herstellung der künstlichen Felsen  und durch meine leidenschaftliche Herangehensweise habe ich neue Horizonte entdeckt und Ideen für zukünftige Projekte bekommen.

Interview Jan Culek
Eine Felsenpflanzung mit einem unserer Felsen.
Er ist in verschiedenen Grautönen mit helleren Partien gestaltet, etwa 70 cm hoch und mit Shimpaku-Wacholdern bepflanzt

Welche Baumarten magst Du am liebsten als Bonsai?
Ich liebe Kiefern, Fichten und Wacholder und ich habe auch begonnen, Laubbäume zu mögen. Kiefern sind die typischen Bäume meiner Heimat im Norden der Tschechischen Republik und ich fühle mich ihnen eng verbunden. 

Aber ich mag alle Arten von Kiefern, nicht nur die Wald-Kiefer, sondern auch die Europäische Schwarz-Kiefer und die japanischen Kiefernarten. Die heimische Fichte ist hier in Europa meiner Meinung nach eine sehr unterschätzte Baumart für Bonsai und ich würde sie gerne öfter auf Ausstellungen sehen. Es macht mir Spaß, mit Wacholdern zu arbeiten. Ich verwende gerne die bekannten asiatischen Wacholderarten, wie auch die wilden und ausdrucksstarken Yamadori-Wacholder in den USA oder hier in Europa. Jede dieser drei Gattungen erinnert mich an die Berge, an die Umgebung, die ich besonders mag. Ich arbeite sehr gerne mit heimischen Bäumen, aber als hauptberuflicher Bonsai-Profi habe ich oft mit aus Asien importierten Bäumen zu tun und es ist wichtig, sich mit diesen Arten auszukennen und zu wissen, wie man sie bearbeitet.

Warum hast Du begonnen, künstliche Felsen zu bauen?
Ich wollte ein Material erschaffen, das gut zu benutzen ist, das nicht so schwer ist wie echter Stein und das man leicht bohren kann. Es sollte sich eignen, um kreative Ideen exakt umsetzen zu können und gut zu den Bäumen passen. Natürliche Steine sehen für mich oft aus wie einfache Felsblöcke und im Fall von dünnen großen Felsplatten für Waldpflanzungen ist das Problem, dass sie leicht zerbrechen. Deswegen begann ich, mit künstlichen Felsen zu experimentieren. 

Interview Jan Culek
Eine weitere vertikale Felsenpflanzung mit Shimpaku-Wacholdern, Höhe 90 cm.
Diese hat einen abstrakten, beinahe 
übernatürlichen Ausdruck - mein Langzeitprojekt ist es, neue Horizonte für Felsenpflanzungen zu erkunden. Eine Felsenpflanzung muss nicht immer eine natürliche Landschaft wiedergeben, sondern kann auch pure Phantasie sein

Werden die Oberflächen Deiner Felsen bemalt oder beschichtet?
Nein, wir verwenden keine Farben oder ähnliches für unsere Produkte. 

Gestaltest Du auch Bäume ohne Felsen? Welche Formen gefallen Dir?
Aber sicher, ich habe auch Bäume in Schalen. Aber ich habe immer mehr Bäume, die in oder auf unsere selbst gemachten Steine gepflanzt werden. Es ist mir ein Bedürfnis, alle ästhetischen Nuancen und technischen Details zu beherrschen, um meinen Kunden die besten Optionen und Lösungen bieten zu können. Nicht jeder Baum passt zu jedem Stein und das Ziel ist, etwas wirklich Schönes zu machen. Dafür muss man genügend Erfahrung haben. Ich würde sagen, zurzeit stehen bei mir etwa 80 Prozent der Bäume auf Stein und der Rest in Schalen. Ich mag
am liebsten Bäume mit ungewöhnlichen Merkmalen, Literaten, Kaskaden, Gruppen, Wälder und Mehrfachstämme.

Interview Jan Culek
Wald-Kiefer (Pinus sylvestris) in einer Steinschale.
Solche Kombinationen drücken die Stimmung einer Hochgebirgsumgebung aus

Beschäftigst Du Dich auch mit verwandten Künsten, wie Suiseki, Kalligrafie oder Kampfsport?
Nein, überhaupt nicht, ich praktiziere keine anderen asiatischen Künste. Aber ich habe mich früher sehr intensiv mit Zeichnen und Malen beschäftigt. Manchmal mache ich Zeichnungen für meine Schüler in den Workshops, um ihnen das Gestaltungsziel für ihren Baum in der Zukunft zu verdeutlichen. Oder ich zeichne zum Spaß, oder um etwas im Gedächtnis zu behalten. Ich würde so gerne wieder Bilder malen, aber im Moment habe ich leider keine Zeit dafür.

Was für Bonsai-Schalen gefallen Dir am besten?
Ich mag Schalen, die mit guter Handwerkskunst gefertigt werden und frische Design-Ideen, die auf guten Proportionen basieren. Ich würde gerne mehr europäische Schalen guter Qualität sehen, denn es gibt sie bereits und das ist aufregend! Oft habe ich Sprüche zu hören bekommen wie: „Weißt Du, die Bäume sehen einfach in japanischen Schalen am besten aus“, aber ich finde, das hängt von der Perspektive ab, aus der man die Bonsai sehen möchte. Wenn das Endziel ist, die japanische Herangehensweise nachzumachen, dann ist das vielleicht die richtige Strategie, aber wenn man etwas anderes, eigenes probieren möchte, sind die Schalen der europäischen Töpfer wahrscheinlich die richtige Wahl.

Welcher ist Dein Lieblingsbaum bzw. Deine Lieblingskomposition?
Ich mag alle Bäume gleich gern. Jeder bekommt das gleiche Maß an Aufmerksamkeit, Pflege und Bearbeitung, aber ich darf nicht zu sehr an ihnen hängen, weil sie eines Tages ein neues Zuhause bekommen, wenn sie in die Hände eines Kunden übergehen. Man braucht eine besondere Geisteshaltung, die notwendig ist für einen Bonsai-Profi, der seine Bäume verkaufen will. Man muss diese Einstellung lernen, denn ohne sie ist es schwierig, einen guten Job zu machen und gleichzeitig Bäume zu verkaufen.

Interview Jan Culek
Eine flache Steinplatte mit eher kleinen Maßen, 40 cm x 30 cm.
Solche Platten können in allen Größen bis ca. 2 m auch für riesige Bäume und Wälder gefertigt werden. Sie haben ausreichend viele Löcher für die Drainage und Drahtbefestigung. Man kann auch leicht noch weitere Löcher in die Platten bohren 

Bist Du schon einmal in Asien gewesen, hast Du die Bonsai-Gärten berühmter Meister gesehen und die besonders inspirierenden Bergregionen?
In China war ich schon einmal. Vielleicht werde ich in der Zukunft irgendwann die berühmten Gärten besuchen, aber, um ehrlich zu sein, das liegt eigentlich nicht im Zentrum meines Interesses. 

Im Herbst letzten Jahres war ich in den USA und hatte die Gelegenheit, viele wunderschöne Landschaften und Orte zu sehen. Auch die amerikanische Bonsai-Szene finde ich sehr anregend, da herrscht viel Bewegung und Energie. Ich habe die Gärten von Ryan Neil und einigen anderen Bonsai-Profis dort besucht und das hat mich wirklich stark beeinflusst.

Was denkst Du über die heutige Bonsai-Szene und welche Entwicklung erwartest Du in der Zukunft?
Zurzeit sehe ich eine große Verschiebung in den virtuellen Raum, damit meine ich Livestreams, Vorträge und Online-Kurse zum Beispiel. Das finde ich sehr interessant und ich freue mich darauf, mitzuerleben wie sich das alles in der Zukunft entwickeln wird. Ich habe auch schon mehrere Online-Vorträge, Livestreams und Videos gemacht. Das ist sehr harte Arbeit und nicht einfach, jedenfalls für mich. Aber das wird zukünftig eine absolut notwendige Fähigkeit für jeden Bonsai-Profi sein. Oft schaue ich mir die Livestreams oder Vorträge der anderen Profis an, um zu sehen, was es Neues gibt und um etwas dazuzulernen.

Welchen Effekt hat das Corona-Virus auf Dein Geschäft und die weltweite Bonsai-Gemeinschaft?
Mehrere meiner Workshops mussten abgesagt werden, aber so ist das Leben. Hoffentlich wird dieser Corona-Wahnsinn bald ein Ende haben. Ich habe aufgehört, die Corona-Nachrichten zu lesen, daher weiß ich gar nicht genau, wie sich die Lage aktuell entwickelt. Ich glaube, Dinge wie diese Corona-Krise werden in der Zukunft immer öfter auftreten und die Menschen, die Gesellschaft und auch die Bonsai-Gemeinschaft werden lernen müssen, damit umzugehen.

Was planst Du für die Zukunft?
Ich plane, unser neues Haus und den dazugehörigen Garten fertig zu stellen und mit meiner Bonsai-Arbeit weiterzumachen. Jetzt, durch das frische neue Heim, kommen mir viele neue Ideen, mit denen ich mich beschäftigen möchte. Ich habe so viele Pläne und Projekte für die Zukunft. Ich möchte neue Dinge lernen und zusammen mit meinen Bäumen wachsen. Die Zeit wird es zeigen.

Interview Jan Culek
Ein vertikaler Felsenturm mittlerer Größe, Höhe ca. 80 cm.
Er hat viele Löcher und Vertiefungen, die vielfältige Bepflanzungsmöglichkeiten bieten. Mit Powertools kann man das Material bei Bedarf außerdem gut bearbeiten. Das Gewicht ist gegenüber echtem Stein weitaus geringer