Gyozan, mit bürgerlichem Namen Yukizyou Nakano, ist einer der berühmtesten zeitgenössischen Bonsai-Schalentöpfer Japans. Makiko Kobayashi hat ihn in seiner Werkstatt besucht und exklusiv für die BONSAI ART interviewt.
„Die Bonsai-Schalen, die ich mache, entstehen in Handarbeit. Jede ist anders und besonders.“ Gyozan, wie sich Yukizyou Nakano als Töpfer nennt, betont dies gleich zu Beginn, als ich sein Studio in Tokoname betrete, das angefüllt mit Schätzen ist.
„Wir Töpfer müssen attraktivere Bonsai-Schalen gestalten, um die jüngere Generation mehr für Bonsai zu begeistern!“
Das Jahr 2020 ist ein wichtiger Meilenstein für Gyozan, der weltweiten Ruhm als einer der besten modernen Bonsai-Schalentöpfer genießt. Es ist das fünfzigjährige Jubiläum seiner Töpferkarriere. Trotz seines Alters von 80 Jahren, arbeitet er noch immer mit viel Leidenschaft und betrachtet es als Herausforderung, eine Vielzahl von Schalen zu kreieren, die nicht dem üblichen Stil entsprechen, sondern ganz neuartige Formen haben, mit andersartigen Reliefen, Motiven, Glasuren und sonstigen Details.
Unglasierte Schalen mit über einem Meter Länger, die gerade in seiner Werkstatt zum Trocknen aufgestellt sind, erstaunen mich sehr. Können Sie sich einen achtzigjährigen Mann vorstellen, der so riesige Schalen töpfert, die ein gewaltiges Maß an Konzentration und Körperkraft verlangen? Gyozan ist eine sanftmütige Person, aber eine energische Zielstrebigkeit treibt ihn an, wenn es um das Töpfern von Bonsai-Schalen geht.
Obwohl er bereits als einer der besten Töpfer der Welt gilt, hat er ein unermüdliches Bestreben, neue und bessere Schalen hervorzubringen: „Andernfalls könnten wir die japanische Bonsai-Kunst bald nicht mehr an die folgenden Generationen weitergeben. Es ist wichtig, die Tradition zu bewahren, aber ich bin sicher, dass es noch wichtiger ist, Dinge zu erschaffen, die über die Tradition hinausgehen.“
Sein Leben wurde von Schwierigkeiten geprägt. Er entstammt einer guten Familie aus Tokoname, sein Vater war ein Mitglied des dortigen Stadtrates. Der junge Yukizyou wurde im Alter von 17 Jahren schwer krank und musste das Gymnasium verlassen. Er wurde vier Jahre lang medizinisch behandelt.
Später machte er seinen Führerschein und wurde Fernfahrer, um seine Familie zu unterstützen. Nach mehreren Jahren in diesem Beruf änderte Yukizyou, auf den Rat seiner Mutter hin, im Alter von 30 Jahren seinen Berufsweg komplett. Er begann eine Lehre bei Keizan, einem der besten Töpfer von Tokoname. Durch die enorm harte Arbeit während dieser Ausbildung wurde er unglücklicherweise erneut sehr krank.
Als er deswegen seine Lehre abbrach, bekam er von einigen Leuten böse Worte zu hören. Seitdem hat Gyozan immer selbständig in seiner eigenen Werkstatt gearbeitet, mit dem großen Ehrgeiz, die besten Schalen aller Zeiten zu töpfern.
„Fehlschläge lehren den Erfolg. Dies ist die absolute Wahrheit, denn ich hatte niemanden mehr, der mir etwas beibrachte. Ich machte verzweifelte Versuche, Schalen herzustellen, die besser als die chinesischen Vorbilder waren“, sagt er heute. Gyozan eröffnete seinen Betrieb 1972. Zu diesem Zeitpunkt hatte er seit mehr als zehn Jahren Schalen in Gipsformen getöpfert und sie in einem elektrischen Brennofen gebrannt, wie andere Töpfer auch.
Üblicherweise mischen die Töpfer Ton aus örtlichem Abbau mit verschiedenen anderen Tonsorten, um bessere Eigenschaften ihrer Keramik zu erzielen. Die Auswahl und Mischung des Tons ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, man kann nicht über Nacht zum Erfolg kommen.
Gyozan kaufte eine große Partie chinesischer Tone auf, von denen die anderen Töpfer und Händler in Tokoname Übermengen aus China bestellt hatten. „Das Streben nach den besten Schalen mit gemischten Tonen war buchstäblich ein fortlaufender Prozess aus Versuch und Irrtum. Schließlich fand ich heraus, dass chinesischer Ton nicht perfekt ist und dass jeder Ton seine Vor- und Nachteile hat“, erinnert sich Gyozan.
Nicht nur beim Formen der Schalen, sondern auch in Bezug auf die Auswahl der Tone, die Mischungsverhältnisse der verschiedenen Tonsorten, Brenntemperaturen und -dauer sowie Glasuren probierte Gyozan alles Erdenkliche, um optimale Ergebnisse zu erreichen.
Schließlich fand er seine ideale Tonmischung, die er „Akebono“ nannte und die aus einem eisenreichen und einem eisenarmen Ton gemischt wurde. „Mein Meister, Keizan, benutzte Gipsformen für die Töpferei. Man muss dutzende Schalen mit jeder Gipsform herstellen, damit sie sich rentiert, denn Formen sind teuer. Ich kann Schalen in Formen herstellen, mit der Wulst- und der Plattenaufbaumethode und so weiter.
Jedoch habe ich mich schließlich dem Aufbau von Hand zugewendet, da ich mich von anderen Töpfern abheben und mehr Leute zum Thema Bonsai bringen wollte“, erklärt Gyozan.
Zudem begann er anstatt des elektrischen Brennofens einen gasbetriebenen Ofen zu benutzen. In elektrischen Öfen wird die Farbe der Schalen nach dem Brand sehr gleichmäßig, weil die Temperatur im Inneren stabil ist.
„Ich dachte eine Zeitlang, dass es gut wäre, wenn die Schalen alle die gleiche Farbe haben, aber ich glaube, dass die Kunden und Fans das auf die Dauer langweilig finden. Ein Gasofen ist sehr schwierig zu handhaben, aber die Farbveränderungen (japanisch Yo-hen), die darin beim Brennvorgang entstehen, sind viel interessanter und schöner.“
Gyozan ist sehr gründlich, nicht nur bei der Tonmischung und der Brennmethode. Anfangs brannte er seine Werke in einem elektrischen Ofen im Oxidationsverfahren, das heißt mit unbeschränkter Sauerstoffzufuhr. Auch wenn der Ton vom selben Ort stammt, ist dessen Beschaffenheit in den verschiedenen geologischen Schichten unterschiedlich.
Um 1982 / 83 veränderten sich die Eigenschaften des in Tokoname abgebauten roten Tons drastisch Als Ergebnis bekamen die Schalen nach dem Oxidationsbrand nicht mehr den gewünschten schönen tiefen Rotton und Gyozans Ruf litt darunter. Trotz vieler Versuche und Experimente war es sehr schwer, wieder die optimale Schalenfarbe im Oxidationsbrand zu erzielen.
Dies wurde zu einem Wendepunkt in Gyozans Töpferarbeit: „Ich habe mich sehr geärgert über dieses Problem. Es war der Anlass für mich, auf den Reduktionsbrand im Gasofen umzustellen. Wenn ich die Schalen anschaue, die ich in dieser Zeit gemacht habe, könnte ich weinen, weil die Erinnerung an diese harten Zeiten wieder hochkommt.“
Vor etwa zwanzig Jahren wurde eine große Menge Schalen aus China importiert, genannt Shinto oder Shinshinto. Dadurch geriet das Verhältnis von Angebot und Nachfrage in Japan völlig aus dem Gleichgewicht und der Absatz der Tokoname-Schalen sank enorm ab. Gyozan griff in dieser Zeit zu ungewöhnlichen und überraschenden Maßnahmen. Er und seine Frau Eiko begannen, Bonsai-Gärten und -Clubs zu besuchen, von der Präfektur Tochigi im Norden Japans bis in die Präfektur Hiroshima, um Töpferworkshops zu geben und für die Bonsai-Schalenproduktion aus Tokoname zu werben.
Seine Großzügigkeit und seine Gastfreundschaft, wie auch seine aufgeschlossene Art, machten ihn zu einem beliebten Lehrer. Er empfing viele Fans aus aller Welt in seiner Werkstatt und brachte ihnen bei, wie man Bonsai-Schalen töpfert. Diese Fans haben sicherlich unvergessliche Erinnerungen an die Stunden mit Gyozan und Eiko.
Je berühmter Gyozan wurde, desto mehr Fälschungen seiner Schalen wurden produziert. Es war nie sein Ziel, reich oder berühmt zu werden. Er konzentrierte sich darauf, immer bessere Schalen zu machen. Vor etwa fünfzehn Jahren machten ihm die Fälschungen aus China große Sorgen, die auf Auktionen und Veranstaltungen auf der ganzen Welt verkauft wurden. Dadurch ging auch der Absatz seiner echten Gyozan-Schalen deutlich zurück. Er versuchte herauszufinden, wer die Fälschungen produzierte und welche Händler diese bei chinesischen Töpfern in Auftrag gaben, aber es war unmöglich, die Drahtzieher zu entlarven. „Damals war ich wirklich deprimiert wegen der gefälschten Schalen.
Der Gedanke an meine Kunden und Fans, die solche Fälschungen kauften, machte mich sehr unglücklich“, erinnert sich Gyozan. Nach einigen Jahren reiste er auf die Shikoku-Inseln in Westjapan, um dort im Rahmen einer Pilgerreise mehrere Tempel zu besuchen. „Am Ende fühlte ich, dass ich einen Zustand der Erleuchtung erreicht hatte. Nun war ich wieder in der Lage, mit Enthusiasmus Schalen zu töpfern!“
Trotz seines guten Rufs als einer der besten Schalentöpfer ist er immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen und neuen Wegen für die Zukunft. Neuerdings stellt er nicht nur klassische Schalen her, sondern auch originelle kreative Modelle, wie verbundene Schalen, rechts-links asymmetrische, mit wunderschönen Reliefs verzierte Gefäße und selbst entworfene Keramiktischchen.
Auch in seinem fortgeschrittenen Alter macht Gyozan es sich nicht leicht:
„Wenn ich zwei Möglichkeiten hatte, habe ich immer den schwierigeren Weg gewählt, in meinem ganzen Leben. Dieses Denken habe ich auch an meine Kinder weitergegeben.“
Gyozan und seine Frau Eiko, die eine großartige Schalenmalerin ist, lächelten einander während des Interviews viele Male an. „Viele Leute, die uns hier besuchen, bemerken, wie eng verbunden und glücklich wir sind.“ Im Allgemeinen sind Japaner sehr zurückhaltend und zeigen ihre Gefühle nicht, sie loben oder berühren ihren Partner nicht vor anderen Leuten. Die Nakanos jedoch sind ein liebevolles Paar, dessen Flirten normale Japaner sprachlos macht. Zweifellos hat sich ihre tiefe Zuneigung in vielen großartigen Schalen ausgewirkt. „Als ich meine Frau geheiratet habe, habe ich mir fest vorgenommen, sie glücklich zu machen. Wir haben uns in unseren 56 Jahren Eheleben nur ein einziges Mal gestritten“, erzählt Gyozan vergnügt.
„Jetzt ist die glücklichste Zeit in meinem ganzen Leben. Ich bin dankbar – jedem und für alles.“