Interview mit Roman Husmann / erschienen in BONSAI ART 150

In diesem Artikel unserer Serie von Töpfer-Interviews stellen wir Ihnen einen leidenschaftlichen Bonsai-Schalentöpfer aus Norddeutschland vor: Roman Husmann

 BONSAI ART Interview Roman Husmann

Der 1959 geborene Roman Husmann aus Moorrege in Schleswig-Holstein hat in jungen Jahren verschiedene Berufe ausgeübt und lebt inzwischen seit über 30 Jahren von der Keramik. Seine Akzent- und Bonsai-Schalen haben eine wachsende Fan-Gemeinde und sind auch in Übersee begehrt.

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Du hast in der Vergangenheit schon verschiedene Berufe ausgeübt, vom Bankkaufmann über Elektriker bis zum Windkraftanlagenbau. Wie bist Du schließlich zur Keramik gekommen?

Das Herstellen von Keramik war für mich als Kind sehr interessant. Erst war das Material ganz weich und formbar, dann hart wie Stein, dazwischen zerbrechlich wie ein rohes Ei. Während der Grundschulzeit habe ich zwei verschiedene Dinge aus Ton angefertigt, die ich gerne verschenken wollte: Eine „Oma“ für meine Oma und dann ein Jahr später die Bremer Stadtmusikanten. Von beiden habe ich nur noch ein Bild, denn beide Figuren wurden für eine bundesweite Ausstellung „einkassiert“. Als Preis habe ich dann ein Spiel und ein Buch erhalten, die ich jedoch schon vorher besaß. Das war wohl ein so tief sitzendes negatives Erlebnis, dass ich erst viele Jahre später wieder mit Ton in Berührung kam. Dann ging es aber sehr schnell, ich lernte das Drehen und begann die ersten Brennöfen mit Holz und Propangasbefeuerung zu bauen.

Du hast Dich in einer Organisation engagiert, in der Keramiker sich austauschen und beraten. Wie wichtig ist Dir der Austausch mit Kollegen?
Ich war von 1989 bis 1991 Angestellter beim Förderkreis Keramik e.V. Hamburg. Dort habe ich mir eine Ganztagsstelle, die von der Kulturbehörde Hamburg gefördert wurde, mit einer Kollegin geteilt. Unsere Aufgabe war es, Keramiker bei ihren Problemen zu beraten, Hilfen bei Arbeits- und Umweltschutzfragen anzubieten, eine Sammlung von Bezugsquellen für weltweit vorhandene Filme und Bücher im Bereich Keramik anzulegen. Damals war das Internet noch nicht in der heutigen Form vorhanden und so kam es, dass wir schnell eine Beratungsstelle auch für Keramiker in anderen Ländern wurden. Eine Beratungsseite in einem deutschen Keramikmagazin gab es ebenfalls. 

Ich finde die Zusammenarbeit mit anderen Keramikern äußerst wichtig. In den seltensten Fällen wird eine Töpferwerkstatt innerhalb einer Familie weitergegeben. Also müssen sehr viele Töpfer „das Rad“ jedes Mal selbst erfinden. Das kostet wertvolle Zeit und Nerven, deshalb finde ich ehrliche Hilfe sehr notwendig. Damit meine ich, wirkliche grundlegende Hilfe und nicht das Abschöpfen von Ideen und Kniffen, die eine eigene Arbeit ausmachen, um dann jemanden auszustechen.

Seit wann töpferst Du Bonsaischalen und wie kam es dazu?
Ich habe 2013 mein Gewerbe angemeldet, weil ich, erfolgreicher als gedacht, Akzentschalen hergestellt habe, die sich sehr gut verkaufen ließen. Einige Zeit später habe ich angefangen, Bonsai-Schalen herzustellen.

Wie hat sich Deine Töpferei entwickelt und was bedeutet sie heute für Dich?
Jetzt stelle ich Bonsai-Schalen bis zu 65 cm her, verkaufe sie in die ganze Welt und bin auf der Suche nach einem größeren Haus, mit einer größeren Werkstatt. 

Ich bin ein wenig überrannt worden, von einer Bekanntheit, die eine größere Nachfrage nach sich zog, der ich manchmal nicht mehr nachkommen konnte. Ich hoffe, dass sich dieser Zustand bessert, wenn ich aus meiner beengten Werkstatt entkommen kann.

BONSAI ART Interview Roman HusmannRoman an seiner Plattenwalze

Wenn man Deine Werkstatt betritt, sieht man überwiegend Bonsai-Schalen und einige Akzentschalen. Jedoch hast Du auch andere Gefäße, Geschirr und sogar die Fliesen in Deiner Küche selbst getöpfert. Machst Du auch heute noch Gebrauchskeramik oder Kunstgegenstände?
Manchmal kommen Nachfragen aus meinem Freundeskreis zu Gebrauchskeramik, die ich aber alle vertrösten muss, es passt im Moment einfach nicht. Viele andere Dinge sind wichtiger und haben Vorrang.

Nimmst Du an nationalen und / oder internationalen Ausstellungen teil?
Ja, das mache ich gerne, denn der Kontakt zu meinen Kunden, die ich oft nur über das Internet kenne, ist mir wichtig. Ebenfalls denke ich, dass es wichtig ist, dass die Leute einmal eine Bonsai-Schale von mir in die Hand nehmen und von allen Seiten betrachten können, um sich ein Bild von meiner Arbeit zu machen. 

Gibt es Veröffentlichungen von Dir bzw. über Dich? Welche?
Mehrere Bonsai-Fachmagazine haben über mich berichtet, sogar das Magazin „Bonsai Welt“ aus Japan.

In der Keramikwerkstatt der Lebenshilfe hast Du sicherlich viele Menschen das Töpfern gelehrt. Gibst Du Dein Wissen auch heute noch weiter?
In den 22 Jahren als Werkstattleiter der Keramikwerkstatt der Lebenshilfe habe ich versucht, viele Menschen mit  Behinderung für die Keramik zu begeistern. Das ist mir oft gelungen und manche waren sogar bereit, frei zu vorgegebenen Themen zu arbeiten. Es sind damit verbunden auch beachtliche persönliche Entwicklungen einhergegangen. Gerne gebe ich auch heute noch Tipps oder teile meine Überlegungen zur Lösung von Problemen mit. 

Wie viele Bonsai-Schalen fertigst Du etwa pro Jahr an?
Ich denke, dass ich im Schnitt pro Jahr zwei Tonnen Ton verarbeite. Daraus entstehen wohl 1500 Akzent- und Bonsai-Schalen.

BONSAI ART Interview Roman Husmann

Ein Schalenregal in Roman Husmanns Werkstatt

Ein Schalenregal in Roman Husmanns WerkstattWas für Schalen gefallen Dir persönlich am besten?
Völlig „verrückte“ Akzentschalen, die in dieser Form meines Wissens noch nicht hergestellt wurden.

Worauf legst Du besonderen Wert beim Töpfern von Bonsai-Schalen, was macht Deinen Stil aus?
Deutsche Handwerker arbeiten oft sehr genau, davon kann auch ich mich nicht freisprechen. Aber dann passiert im Bereich Keramik schnell etwas, was ich absolut verhindern möchte, der Eindruck, es handele sich um „Maschinenarbeit“ oder es wären Formen verwendet worden. Um das zu vermeiden, benutze ich Glasuren, die bei leicht unterschiedlichen Brennkurven einige Unterschiede in der Ansicht der fertigen Bonsai-Schalen aufweisen. Im Gesamteindruck versuche ich auf eine schlichte Eleganz hinzuarbeiten.

Bei Deinen Schalen befinden sich gewöhnlich viele kleinere Löcher im Boden, nahe der Schalenwand. Was hat es damit auf sich?
Ich möchte dem Nutzer meiner Schalen die Möglichkeit geben, problemlos seinen Ideen bei der Positionierung des Baumes freien Lauf zu lassen. Deshalb biete ich mehrere Befestigungslöcher an. Ebenfalls kann dort überschüssiges Wasser ablaufen, sollte die Schale etwas schief stehen.

Du machst viele Auftragsarbeiten. Was gefällt Dir dabei und welche Probleme bringen diese Arbeiten mit sich?
Es gefällt mir, Ideen anderer Menschen  umzusetzen und manchmal reizt mich auch die technische Machbarkeit. Problematisch sind für mich zu genaue Vorgaben bei den Maßen. Das bereitet mir schlaflose Nächte, weil ich mich sorge, dass ich nicht genau genug gearbeitet haben könnte.

Du stellst nicht nur Deine Glasuren selbst her, sondern sogar die Asche für die Ascheglasuren. Was gibt es dabei speziell zu beachten?
Jede Asche ist anders, denn es ist ein Unterschied, ob ich ein Hart- oder ein Weichholz verbrenne, ob der Baum im Sommer oder Winter gefällt wurde, ob er auf einem Sandboden oder im Mergel stand. Deshalb mische ich verschiedene Aschen und wenn ich ca. 50 Liter gewaschene, gesiebte, getrocknete und  dann wieder gemahlene Asche zusammen habe, kann ich anfangen, wieder ähnliche Glasuren zu entwickeln, wie ich sie bereits hatte. Das bedeutet viel Arbeit und auch Frust, aber für mich entstehen so sehr schöne Glasuren. Irgendwann sind sie aufgebraucht und dann beginnt alles wieder von vorne.

Probierst Du gerne neue, ausgefallene Designs und Glasuren aus oder bevorzugst Du eher klassische Schalenmodelle?
Alles entwickelt sich weiter, bezieht sich aber immer auf klassische Elemente. Ich mag selten Muster auf Dingen und habe auch bisher kein Verständnis für Landschaften auf Bonsai-Schalen entwickelt. Das mag sich eventuell irgendwann ändern, aber noch bin ich mit „Basisarbeit“ beschäftigt. Ich muss die Grundlagen meiner Arbeit verstehen und da gibt es noch sehr viel zu tun.

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Roman Husmann zeigt die Schablonen, auf denen er gedrehte Schalen weiterbearbeitet

Welche Techniken wendest Du an?
Das Gießen von Keramik habe ich über 20 Jahre bei der Lebenshilfe gemacht, damit bin ich komplett durch. Sonst bin ich für alle anderen Arbeitsmethoden offen und kombiniere gerne unterschiedliche Techniken in einer Arbeit.

Welche Hilfsmittel und Werkzeuge benutzt Du beim Töpfern?
Hauptsächlich meine Finger, denn ich denke, dass andere Menschen einen unbewussten Bezug zu Dingen haben, die mit Händen geformt wurden und nicht mit abstrakten Werkzeugen. 

Gibt es Schalen, von denen Du Dich schwer trennen kannst?
Nein, denn es gefällt mir, anderen Menschen eine Freude zu bereiten und ich erfreue mich daran, den Geschmack eines Menschen irgendwo in der Welt getroffen zu haben, hinweg über kulturelle und sprachliche Barrieren.

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Du musstest vor einigen Jahren Deinen Holzbrandofen aufgeben. Was hat das für Deine Arbeit bedeutet?
Ich hatte über Jahre viel Erfahrung angehäuft, die plötzlich unnütz erschien, denn das Brennen von Keramik in einem Brennofen, der mit Holz gefeuert wird, ist eine komplett andere Welt. Ich war so frustriert, dass ich mehrere Jahre nicht mehr in meiner Werkstatt gearbeitet habe.

Wie anders ist der Umgang mit Deinen beiden elektrischen Brennöfen?
Beim Holzofenbrand habe ich ohne Pause ungefähr 13 Stunden lang alle dreißig Sekunden dünn gespaltenes Holz nachgelegt und konnte mich nicht von meinem Ofen entfernen. Ich kann jetzt anderen Dingen nachgehen, wenn ich Keramik brenne.

Vor zwei Jahren hattest Du einen Unfall, bei dem Du eine schwere Ellenbogenverletzung am rechten Arm erlitten hast. Wie sehr hat diese Verletzung Deine Arbeit beeinträchtigt? Ist sie inzwischen ausgeheilt?
Der Arm funktioniert wieder fast wie früher, die Kraft ist auch zurück, aber die verlorene Arbeitszeit habe ich bis heute nicht aufgeholt.

Welche Rolle spielt das Internet für Dich?
Ohne Internet könnte ich von meiner Arbeit nicht leben und meine Schalen würden nicht in Chile, Neuseeland oder Japan stehen. Ebenso könnte ich nicht so viele Bonsai-Schalen anderer Töpfer sehen, antik oder neu, und ihre Proportionen und Glasuren studieren.

Betreibst Du das Bonsai-Hobby selbst noch intensiv?
Dafür fehlt mir leider die Zeit. Ich werde ein paar Hostas in meine Schalen pflanzen, wenn es denn endlich ein anderes Haus mit großem Garten gibt.

Hast Du einen Lieblingsbaum?
Ich finde Weiß- und Rotdorne als Bonsai sehr schön, z. B. gestaltet von Harry Harrington oder Tony Tickle. 

Hast Du ein Vorbild in der Bonsaiund Töpferszene?
Ich teile Bonsai-Schalen hauptsächlich in drei Bereiche ein: Schalenkörper, Glasur, Füße. Für jeden Teil einer Bonsai-Schale gibt es Töpfer, die dort für mich sehr schöne Dinge geschaffen haben.


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Was dürfen wir in der Zukunft von Dir erwarten?
Noch viel mehr Akzent- und Bonsai-Schalen und ein paar neue Fußformen, die nicht nur dem Zweck dienen.

Wie sollte man es angehen, wenn man das Töpfern von Bonsai-Schalen selbst versuchen möchte?
Auf die erste Bonsai-Schale verschwendet man die längste Zeit, gibt sich unendlich viel Mühe und nach der hundertsten ist es die schlechteste, die man bisher gemacht hat. Man arbeitet irgendwann unbekümmert aus sich heraus, strebt nicht nach Vorbildern. Es wird von alleine schön, wenn es flott von der Hand geht. Übung macht auch hier den Meister. Das Wichtigste scheint mir allerdings, dass zum Beginn nach einer Zeichnung gearbeitet wird, denn sonst gibt man sich zu schnell mit einem Ergebnis zufrieden.

Abschließende persönliche Bemerkungen?
Ton ist ein phantastischer Werkstoff. Ich kann etwas abschneiden und etwas hinzufügen, mit den Fingern verformen, ihn zerbrechen, wenn er getrocknet ist, mit enormer Hitze hart wie Stein machen. Das ist perfekt für Kinder mit ihrem naiven Forscherdrang, aber nervenaufreibend für zum Erfolg verurteilte Erwachsene.

Das Interview führte BONSAI ART Chefredakteurin Heike van Gunst.