„Enzyklopädie der Gräser“ von Rick Darke und „Kiesgärten – Blütenpracht ohne Gießen“ von Bernd Hertle
Wieder habe ich zwei Bücher ausgewählt, die in einem Zusammenhang stehen und doch sehr verschieden sind. Das Buch von Rick Darke gilt seit seinem Erscheinen im englischen Sprachraum vor drei Jahren als Grundlagenwerk über Gräser. Nun in deutscher Sprache in einer schönen Ausstattung erschienen, wird es auch bei uns diesen Status bekommen. Kiesgärten von Bernd Hertle scheint mehr mit japanischen Gärten zu tun zu haben, das Buch hat sich jedoch eher aktuellen Gartengestaltungen mit Kies zum Thema genommen, in denen die Gräser eine wichtige Rolle spielen. Das günstige GU-Buch ist wie zu erwarten ausgesprochen praxisnah.
Es ist ein kiloschweres, fast 500 Seiten starkes Werk, das der Amerikaner Rick Darke gerade bei Ulmer in einer ausgezeichneten Übersetzung von Claudia Arlinghaus veröffentlicht hat. Der Titel, der ein Nachschlagewerk suggeriert, stimmt nur zum Teil: Das Buch beinhaltet auf 250 Seiten eine Aufstellung der wichtigsten Süßgräser, Riedgräser, Binsen, Restiogewächse und Rohrkolben, die im Garten Verwendung finden können. Die ersten 200 Seiten dienen jedoch der Einordnung der Gräser in verschiedene Kontexte. Die Ökologie spielt dabei eine undogmatische, aber wichtige Rolle. Eingeschleppte Gräser können ein ganzes Ökosystem dominieren und angestammte Arten verdrängen.
Darke geht es jedoch nicht um eine Verteufelung bestimmter Arten – man denke nur an die nicht mehr einzudämmenden Bestände des Jap. Knöterich, einer Staude, die große Flächen überwuchert. Er sieht jede Art im Zusammenspiel mit deren Umwelt, von der wir wiederum ein wirksamer Teil sind, und verweist auf die künstliche Trennung von Natur- und Kulturlandschaft, die ebenso wenig Sinn hat, wie das Wort Unkraut. Letztlich gilt es zu bedenken, was man tut, wenn man eine Pflanze in einen Garten setzt. Gräser sind in ihrer Schönheit erst seit den 80er Jahren für den Garten relevant geworden. Das mag mit ihrer zurückhaltenden Wirkung zu tun haben, den oft eher dezenten Farben und feinen Strukturen. Bei Gräsern muss man genauer hinsehen. Darke beschreibt die einzigartigen Lichteffekte, das Rascheln und Wogen der Gräser, die Eleganz ihrer Linien. Mit viel ästhetischem Verständnis und dem geschulten Blick des Fotografen – die nahezu 1.000 hervorragenden Bilder des Buches stammen fast vollständig von ihm. Die Fotos ergänzen und erläutern die Beschreibungen des Autors wie selbstverständlich. Anhand vieler Beispiele zeigt Darke, der auch als Landschaftsplaner tätig ist, worauf es beim Gestalten mit Gräsern in Garten und Landschaft ankommt. Sollen sie die Matrix, also den Hintergrund darstellen, aus der heraus andere Pflanzen hervortreten, oder sollen sie ein Element von vielen sein? Der Leser und die Leserin können einiges über scheinbar so abstrakte Kategorien lernen wie Licht im Garten, lineare Wirkung, Textur und Form, Gestalten mit Farbe. Man kann Gräser zwanglos oder formal einsetzen. Ihre Größe und ihre Einbindung in den Standort sind zu berücksichtigen. Sogar ihre Verwendung im Topf – für Bonsaianer ein nicht ungewöhnlicher Gedanke – wird diskutiert. Nie ist der Text jedoch kompliziert oder akademisch, ein Vorteil des angloamerikanischen Schreibstiles.
Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit den Bedingungen, die die meist robusten Gräser benötigen. Feuchte, Frosthärte, Lichtbedürfnisse – alles Themen, die einem Menschen, der sich mit Pflanzen beschäftigt, nicht fremd sind, die jedoch bei Unkenntnis große Probleme machen können. In diesen Bereich gehören auch die oben erwähnten Probleme mit der Ausbreitung und Unkontrollierten Vermehrung in der Umgebung. Wertvolle Hinweise, die man sich sonst einzeln zusammensuchen muss, finden sich hier, leicht verständlich, kompakt und kompetent dargestellt. Nach dieser Lektüre folgt die Enzyklopädie von Achnatherum bis Zizania.
Gräser sind in Japan ein Symbol des Herbstes, auch des Menschlichen. Ihrer einzigartigen Schönheit setzt dieses Buch ein Denkmal, das nur durch diese Pflanzen selbst in den Schatten gestellt wird.
Wohl jeder kennt die GU-Bücher, die genau die aktuellen Bedürfnisse aufgreifen und praktische Anleitung zum Tätigwerden geben. Dieses Buch über Kiesgärten tut dasselbe. Der Untertitel Blütenpracht ohne Gießen verspricht dem inneren Schweinehund üppigen Genuss ohne Arbeit. Was im Bonsai normalerweise ein leeres Versprechen bleibt, kann mit einem Kiesgarten – fast – Wirklichkeit werden. 144 Seite im Hardcover zeigen die Anlage und „Pflege“ von modernen, naturnahen Kiesgärten, die weder Wasser noch Dünger brauchen. Pflanzpläne , Gestaltungsanregungen und 150 Pflanzenporträts helfen bei der richtigen Anlage, die dann kaum noch Pflege braucht und „Geld spart“. Gräser sind ein wichtiger Bestandteil dieses Ansatzes, der modernen Gärtnern entgegenkommt. Eine Empfehlung!
{ln:Enzyklopädie der Gräser. '„Enzyklopädie der Gräser.“} Darke, Rick. 480 Seiten, 26 cm x 29 cm, 1.040 Farbtafeln, Hardcover, 99,00 Euro
{ln:Kiesgärten '„Kiesgärten. Blütenpracht ohne Gießen“}. Hertle, Bernd. 144 Seiten, 21 cm x 27 cm, 250 Farbfotos, Hardcover, 19,99 Euro
Erschienen in {ln:BONSAI ART 105 'BONSAI ART 105}