„The World Of Kunio Kobayashi 1“ – die Bonsai
Nachdem ich in der letzten Ausgabe das Schalenbuch des Dreigestirns Baum – Schale – Tisch besprochen habe, möchte ich mir diesmal das Buch über die Bäume Kobayashis anschauen. Die Werke dieses Bonsaimeisters sind weithin bekannt, und er zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Bonsaikünstlern überhaupt. An seinen Bonsai lassen sich aktuelle Strömungen in der Gestaltung ablesen.
Die formalen Aspekte dieses Buches, die in jeder Rezension anzugeben sind, möchte ich mir diesmal ersparen und Sie auf die Ausgabe 107 verweisen. Das erste Buch der Reihe ist dem zweiten, über Schalen, gleich und steht diesem in nichts nach.
Den Umschlag ziert ein Ausschnittfoto einer sehr alten Mädchenkiefer mit einem ausdrucksstarken Shari. Dieser Baum ist auch in Paul Lesniewiczs Buch aus dem Ende der 70er Jahre abgebildet. Dessen Buch bezeichnet den Anfang von Bonsai in Deutschland als großes und öffentlich wahrnehmbares Phänomen. Viele werden die Inhalte des Buches kennen, auch wenn sie es nie selbst in der Hand hatten: Es wurde, auch in seinen Fehlern, in manchem Bonsaibuch danach ausgiebig zitiert. Das Foto der Mädchenkiefer dort ist sicher dreißig bis vierzig Jahre älter als das aktuelle in Kobayashis Buch (Seite 32/33). Der Name dieser Kiefer ist in Japan „Oku no kyosho“, was soviel bedeutet wie: Die Kiefer am Ende des Weges. Dieser Bonsai hat eine besondere Bedeutung. Kobayashi sah diesen Baum das erste Mal mit Anfang zwanzig und er beschreibt ihn als eine Offenbarung. Deshalb wollte er den Weg des Bonsai gehen. Vierzig Jahre später präsentiert er diese geschätzt sechshundert Jahre alte Kiefer zu Neujahr in seiner traditionellen Tokonoma mit roter Sonne und Figur in prächtigem Festtagskimono.
Diese Beschreibung enthält die zentralen Themen von Kobayashis BonsaiKunst-Verständnis.
Stichwort: Weg
Die Kiefer stand am Anfang seines Bonsaiweges und zu seinem 60. Geburtstag, zu dem Kobayashi dieses Buch veröffentlichte, sieht er sie auch am Ende stehen. Ein starkes Bild eines starken Baumes, mit dem sich der Meister identifiziert.
Tokonoma
Viele der ausgezeichneten Bonsai sind in einer Schmucknische, der Tokonoma, präsentiert. Baum, Schale, Tisch mit Bildrolle und Begleitelement arrangiert im Alkoven erzeugen ein in sich geschlossenes Werk. Modern gesprochen eine Installation, hier aber im traditionellen Rahmen.
Japan
Die rote Sonne auf dem Rollbild, der Festtagskimono, Neujahr – traditionsbewusst und mit typischen japanischen Symbolen gibt Kobayashi ein klares Statement zu seinen Wurzeln.
Es gibt zu den einzelnen Bildern nur kurze Erläuterungen, die den Betrachter meist direkt auf die besondere Qualität eines Bonsai hinweisen, sonst verlässt sich Kobayashi auf die Kraft und Wirkung des Arrangements.
Die Aufteilung des Buches beginnt mit dem Neujahr, dann folgen Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die Abschnitte werden mit einem Bild zu der entsprechenden Zeit aus dem Shunka-en Bonsai Museum eingeleitet und gegliedert. Die „großen“ Bäume, also die, deren Bedeutung hervorgehoben werden soll, stehen in Tokonoma-Arrangements. Viele dieser Bonsai-Meisterwerke werden Sie kennen, aber die Arrangements vermitteln zusätzlich ein Gefühl für die Einordnung des jeweiligen Bonsai in einen stilisierten Naturzusammenhang. Eine windige Bergregion mit Mädchenkiefer lässt den Betrachter sich solcher ausgesetzter unwirtlicher Orte erinnern. Eine Azalee mit Rollbild Wasserfall versetzt einen in den feuchten Kessel triefnasser Kühle. Kobayashi versteht es meisterhaft, Stimmungen zu erzeugen, die selbst über die Fotos noch wirken. Ich habe selten so starke Fotos gesehen, wozu sicher auch das gegenüber den Kokufu-Bänden größere Format beiträgt.
Am Ende des Buches findet sich noch eine Aufstellung der ausgezeichneten Bonsai von Kokufu-ten, Sakufu-ten und anderen großen Ausstellungen, beginnend mit einer Azalee in 1985. Auch hier helfen kurze Sätze in Englisch bei der Einordnung. Kobayashis Gewinner der letzten Jahre sind in diesem Buch von 2008 natürlich nicht dabei. Den Abschluss bilden Momentaufnahmen bedeutender Gestaltungen, die in ihrer Radikalität zeigen, dass Kobayashi keine Berührungsängste vor modernsten Techniken und Formen hat. Das Geburtstagsgeschenk, das sich der Autor da zu seinem Sechzigsten gemacht hat, ist ein herausragendes Beispiel für die Bilanz eines kreativen und energiegeladenen Lebens. Wer eines der wenigen handsignierten Exemplare bekommen kann, wird es nicht mehr missen wollen.
{ln:The World Of Kunio Kobayashi 'The World Of Kunio Kobayashi}
316 Seiten, 23,5 cm x 30,7 cm, jap./engl., Hardcover, 98,00 Euro
Erschienen in {ln:BONSAI ART 108 'BONSAI ART 108}