„Das Japanische Teehaus“ von Wolfgang Fehrer
Warum dieses Buch? Dass Sie bis hierher gelesen haben, gibt mir die Möglichkeit, Ihnen den Grund für die Rezension eines zugegebenermaßen sehr speziellen Werkes zu nennen. Denn es ist nicht leicht einzusehen, warum man sich als Bonsaifreund dieser architektonischen Besonderheit Japans im Detail zuwenden sollte. Und, detailreich ist dieses Buch ebenso wie kenntnisreich. Mein Grund, dieses, wie ich schon hier anmerken möchte, großartige Buch zu besprechen, ist, dass im Teehaus nicht nur die japanische Seele erkennbar ist, sondern dass wir in ihm auch unbekannte Räume unseres Herzens betreten können.
Nicht, dass Sie nach der Einleitung vermuten, das Buch handele esoterisch raunend von Geheimnis und Magie. Ganz das Gegenteil ist der Fall. Wolfgang Fehrer geht in dem im Schweizer Niggli Verlag herausgebrachten, ausgesprochen geschmackvoll gemachten Werk analytisch und klar mit seinem Thema um. Er schaut sich aus vielen Perspektiven das Teehaus an, beschreibt sehr genau und dringt so immer tiefer zum Verstehen vor. Die über 230 Seiten mit den vielen oft großformatigen Farbfotos, Grafiken, Illustrationen und Zeichnungen machen einen sehr hochwertigen Eindruck, ohne die dem Thema angemessene Schlichtheit einzubüßen. Ein Beispiel dafür sei die Farbe der Haupttexte, die allgemein in schwarz sind, bei Fehrer jedoch in einem dezenten dunklen Rot, das erst auf den zweiten Blick erkannt wird. Diesen zweiten Blick sollte man beim Betrachten und Lesen dieses Buches ganz bewusst einsetzen, denn der erschließt erst dessen Reichtum.
Fehrer hat in seinem Buch die sonst verstreuten Informationen, die meisten aus westlichen Publikationen, zusammengestellt. Er teilt das Thema in einen eher allgemeinen Teil, in dem die Prinzipien von Raum, Philosophie und Ästhetik auf die Struktur und Konstruktion des Gebäudes und des Teegartens bezogen werden. Die zweite Hälfte des Buches befasst sich konkreter mit der Teezeremonie und ihrer Geschichte, die im 8. Jahrhundert begann und ihren Höhepunkt mit den großen Teemeistern des 15. und 16. Jahrhunderts erreichte. Verschiedene Stile werden vorgestellt und die Entwicklung des Teehauses bis in die heutige Zeit beschrieben. Ein Anhang mit wichtigen Begriffen, Zeittafel und Bibliografie schließen den Band ab.
Hier möchte und kann ich nicht auf alle Perspektiven eingehen, sondern will nur beispielhaft eine herausgreifen, die mich besonders angeregt hat. Der vielen bekannte Begriff „Wabi“. Er geht leicht im abstrakten Konzept des Wabi-Sabi auf, in dem er für uns Westler oft eher unklar und diffus bleibt. Fehrer macht ihn greifbar. Danach leitet er sich von dem jap. Ausdruck Wabishi ab, der wörtlich übersetzt ein Gefühl von unglücklich oder einsam sein, von Enttäuschung beschreibt. Wir würden es ein negatives Gefühl nennen. Dieser Stimmung entspricht Wabi als ein „Fehlen von Dingen, wenn alles entgegen unseren Vorstellungen läuft, unsere Wünsche nicht erfüllt werden.“ Es ist eine Stimmung „in der man lieber allein ist als in Gesellschaft, die Natur der Kultur vorzieht“ (S.41). Mit diesen Worten stellte sich bei mir sofort die Erinnerung an solche Situationen ein, der Wunsch, der unbefriedigenden Welt den Rücken zu kehren, das Einfache aufzusuchen, in den Bergen oder am Meer zu wandern. Solche Gefühlsqualitäten sind für mich nun mit diesem Begriff verbunden und jeder kann seine individuellen Erfahrungen einbinden. Aus dem jap. Wabi wird durch solche dichten Beschreibungen eine Verbindung zu meinem Leben hergestellt. Fehrer hat an vielen Stellen solche Übersetzungsleistungen erbracht, die neben dem Verständnis des kulturell Fremden einen Zugang zu eigenen Erfahrungen ermöglicht. Vordergründig geht es also um Japanische Teehäuser, aber das Buch führt über diesen vermeintlichen Umweg direkt zu vielleicht unerschlossenen Erfahrungsbereichen, die weder östlich oder westlich sondern einfach menschlich sind.
Das Japanische Teehaus – Architektur und Zeremonie:
232 Seiten, Hardcover, 21 cm x 31 cm, durchgehend farbig, 42,00 Euro