„Das Totholz unserer Bonsai“, Techniken der Gestaltung und Pflege, von François Jeker

Wir mussten es einfach machen! Als wir Anfang der 90er Jahre die Möglichkeit bekamen, BONSAI ART in deutscher Sprache heraus zu bringen, war die Entscheidung genauso schnell klar, wie fast 20 Jahre später für das Verlegen dieses Buches. Nach dem ersten Durchblättern des französischen Originals war ich fasziniert von den vielen Fotos und Zeichnungen, den detailreichen Beschreibungen der Bearbeitung des Totholzes. Das hatte wirklich noch gefehlt, und jetzt ist es auch in deutscher Sprache da.

Das TOTHOLZ unserer BonsaiEine Rezension so zu beginnen, wie ich es gerade getan habe, ist, zugegeben, unredlich. Eine Bewertung sollte nicht am Anfang sondern am Ende einer Buchbesprechung stehen. Bisher habe ich mich darum bemüht, einen objektiven Blick in und auf die vorliegenden Bücher zu werfen. Was mir problematisch schien habe ich benannt, aber die Stärken eines Buches nicht unterschlagen. In diesem Fall ist jedoch klar, dass, wenn ich ein Buch bespreche, das in unserem Verlag erscheint, dieses eine außergewöhnliche Qualität haben muss. Sonst hätten wir es sicher nicht gemacht. Trotz einer gewissen Verblendung hoffe ich, dass Sie mir auch diesmal ein unabhängiges Urteil zutrauen.


Jekers beide in deutscher Sprache erhältlichen Bücher zur Ästhetik des Bonsai habe ich 2001 und 2003 besprochen. Sie sind wichtige Bücher zu diesem stiefmütterlich behandelten Thema. In seinem neuen Buch richtet er seinen ästhetischen Blick auf ein Detail des Bonsai, sein Totholz. Auf 240 Seiten, mit hunderten von Bildern und Zeichnungen, stellt Jeker ein enormes Formen- und Farbenspektrum verwitterten Holzes dar. Die Überlegungen, die er mit dem Leser teilt, entstammen genauester Naturbeobachtung und münden in eine methodische Praxis, die die Bearbeitung toten Holzes eines jeden Bonsailiebhabers auf ein höheres Niveau bringt.


Nach der Logik, die die Natur an den Anfang stellt, ist das erste Kapitel den natürlichen Formen des Totholzes gewidmet. Sie ist für Jeker – und andere – die große Gestalterin, der wir nacheifern. Dazu braucht es viele Bilder im Buch und im Kopf über die Mannigfaltigkeit abgestorbener Stämme, Äste und Baumspitzen.
Danach folgt die Beschreibung der Einflüsse, denen Totholz ausgesetzt ist. Was führt zu welchen Spuren? Das ist hier die Frage.


Den dritten Abschnitt des Buches füllen Beispiele für attraktive und unattraktive Lösungen, um z.B. einen Jin zu gestalten. Was ist „schönes Totholz“?         Die drei ersten Kapitel sind eng angelehnt an die Vorbilder in der Natur, die der Gestalter kennen muss, ohne sie wirklich kopieren zu können. Er kann jedoch Fehler vermeiden und Bedingungen schaffen, die letztlich auf natürlich wirkendes Totholz hinauslaufen.
Nun folgt der größte Teil des Buches, der sich mit der Bearbeitung selbst beschäftigt. Werkzeuge dafür werden besprochen, manches empfohlen, anderes in Frage gestellt. Der Autor hat eine genaue Vorstellung, was man braucht und wofür man es braucht. Zwei kurze Kapitel gehen auf Gefahren bei der Bearbeitung ein sowie auf kleine Tricks und Mogeleien, die dem Grundsatz, nach der Natur zu arbeiten, widersprechen. Jeder Gestalter weiß, und Jeker ist da kein Fundamentalist, dass die Praxis eben doch Kompromisse fordert.
Kernstück und Abschluss des technischen Teiles ist eine 9-Schritte-Methode zur Bearbeitung von Totholz. Hier kommt Jeker auf den Punkt und lehrt an einer komplexen Kiefer im Detail das Handwerk.


Das vorletzte, recht umfangreiche Kapitel hat die verschiedenen Bäume, die zu Bonsai gestaltet werden, zum Gegenstand. Verschiedene Kiefern, Wacholder, Laubbäume und sogar tropische Bäume werden im Hinblick auf ihr Holz und dessen Bearbeitung untersucht. Ist es dicht, faserig, hart? Wie lässt es sich bearbeiten im frischen oder trockenen Zustand? Natürlich werden nicht alle Bonsaiarten behandelt, aber man findet doch viele der am häufigsten verwendeten Bäume.
Den Abschluss bildet ein Text zu den Gesetzen der Natur. Jeker spricht noch einmal die Gefahr der Freiheit an, totes Holz als Material der eigenen Phantasie zu benutzen. Er möchte die Liebe und den Respekt im Verhältnis zur Natur im Vordergrund sehen.


Schon zu Beginn wurde klar, dass ich von diesem Buch wirklich begeistert bin. Man spürt die Leidenschaft, die François Jeker für Bonsai hat, und sein Engagement, sie und sein Wissen weiter zu geben. Das Buch hat nicht nur praktischen Nutzen für jeden Gestalter. Auch für den nur am Kunstwerk Bonsai Interessierten gibt es Aufschluss über die hervorragenden Qualitäten von Totholz, lehrt sie zu erkennen und zu differenzieren. Für uns war es deshalb auch ein Anliegen, dieses Buch in angemessener Sprache und in stimmigen Begriffen zu übersetzen, damit es, anders als bei den ersten Büchern Jekers, wirklich verstanden werden kann.


Das TOTHOLZ unserer Bonsai
Jeker, François. 244 Seiten, durchweg farbig, 21 cm x 21 cm, Softcover, 34,95 Euro

Eine Rezension von Heike van Gunst aus der BONSAI ART 110