„Bonsai – Die hohe Kunst“ von Horst Stahl

Der Mann, der sich in Deutschland seit Jahrzehnten am intensivsten mit der Erstellung von Büchern zum Thema Bonsai beschäftigt, ist Horst Stahl. Seine Bücher gehören zu den meist verkauften und sein „Bonsai – Vom Grundkurs zum Meister“ ist ein Standardwerk. Was hat das gerade ebenfalls bei Kosmos erschienene neue Buch, das einen Einblick in die hohe Kunst des Bonsai vermitteln will, gegenüber seinem bisher umfassendsten Werk zu bieten?

 

Bonsai. Die hohe Kunst.

Das neue Buch ist anders und trotzdem erscheint es in manchen Aspekten vertraut. Anders ist das Format und die gesamte Gestaltung. Deutlich über DINA4 groß, erwartet der Leser kein Lehrbuch zu Bonsai sondern allein vom Format einen Bildband, und wird nicht enttäuscht. Zu den inneren Werten jedoch später, bleiben wir noch beim Äußeren.
Modern erscheint der mattschwarze Schutzumschlag mit dem freigestellten Chin. Wacholder und dem roten, wie mit dem Pinsel hingeworfenen Bonsai-Schriftzug. Das Buch „Vom Grundkurs zum Meister“, eigentlich zusammengesetzt aus zwei einzelnen Bänden, ist mit seinen etwa 300 Seiten um 50 Seiten umfangreicher als Stahls neues. Bei diesem sind die ersten 110 Seiten der Bildbandteil, in dem oft ganzseitig große Bonsaifotos gebracht werden.
Der zweite Teil von „Bonsai – Die hohe Kunst“ ist der fachlich inhaltliche Teil, auf dem über 130 Seiten Philosophie, Geschichte, Physiologie, Pflege, Auswahl, Gestaltung, Erziehung und „Verzwergung“, Schalenwahl, Shohin, Beurteilung und Präsentation in der Bonsaikultur dargestellt werden. Ergänzend gibt es ein Glossar, Adressen und ein Register.
Der erste Teil, der einem Bildband nicht unähnlich ist, wird inhaltlich dadurch mit dem zweiten Teil verbunden, dass die Überschrift „Gestaltungsformen“ dafür gewählt wurde. Kurze Kommentare weisen auf Stilform und Besonderheiten hin. Vielen BONSAI ART-Lesern werden die dort abgebildeten Bonsai nicht unbekannt sein. Interessant ist die selbstbewusste Zusammenstellung u.a. dadurch, dass sich auch Bonsai von deutschen Gestaltern (davon viele von Walter Pall) finden.
Die oben aufgezählten Kapitel sind unterschiedlich umfangreich und werden jeweils durch ein großes über eine Seite hinausgehendes Foto eingeführt. Erziehung und „Verzwergung“, also die Bonsaitechniken, bilden mit über 30 Seiten das wie zu erwarten stärkste Kapitel. Hier merkt man besonders, dass Horst Stahl möglichst alle relevanten Informationen bringen will und eigentlich nichts beim Leser voraussetzt. Dabei nimmt er auch neue Trends, wie etwa die Kultivierung von Jungpflanzen im Nudelsieb, auf.
Schön sind die Zwischenüberschriften in den einzelnen Abschnitten der Kapitel, die als Fragen formuliert sind. Hier tauchen die von jeder Bonsaiaustellung bekannten klassischen Fragen (im www nennt man das FAQ) auf und werden aufs Neue geduldig beantwortet.
Apropos neue Trends: Man merkt, dass Horst Stahl viele verstreute Informationen sammelt, aufarbeitet und in seine Bücher aufnimmt, was ausgesprochen aktuell wirkt. Das eigene Kapitel für Shohin zeugt ebenfalls davon. Auch vor heiklen Positionsbestimmungen macht er nicht halt, wenn es um Bonsaibeurteilung geht. Manche Angaben sind dabei klar und deutlich, damit aber auch angreifbar, andere, wie etwa die Frage nach der richtigen Schale, erhalten nur eine vage umschriebene Antwort. Insgesamt ist das neue Buch von Horst Stahl gelungen, nimmt man es als Bestandsaufnahme des aktuellen Bonsai, als Kompendium der Bonsaikultur oder Enzyklopädie dieses Kunsthandwerks.

Bonsai – Die hohe Kunst
253 Seiten, Hardcover, 24 cm x 30 cm, durchgehend vierfarbig, 49,90 Euro