Der Bildband zur Ausstellung 2012 der Bonsai Association Belgium
Es hat sich eingebürgert, einen Bildband zu veröffentlichen, der die präsentierten Bonsai einer großen Ausstellung dokumentiert. Die Noelanders Trophy ist, nicht nur für Belgien, eine große und zudem wichtige Ausstellung, besonders seit der Ginkgo Bonsai Award nicht mehr abgehalten wird. Auch ist diese Schau die erste im Jahr und für viele Bonsaifreunde, obschon im Januar, ein Frühlingsbote. Mittlerweile hat sich auch bei diesen Ausstellungsbänden ein Qualitätsniveau eingestellt, das sich sehen lassen kann. Die Referenz ist zwar immer noch der alljährlich erscheinende Kokufu-Band, aber der Jahrgang 2012 der Noelanders Trophy ist nicht nur bei den Bonsai ein guter..
Ich will mich nicht lange mit den Formalia aufhalten. Das Buch ist sehr gut gemacht, hat 112 Seiten, außer einer Einleitung in fünf Sprachen (auch deutsch) und den Bildunterschriften keinen Text. Das gut gewählte Querformat im Hardcover enthält durchgehend qualitativ hochwertige Fotos. Die Bildunterschriften weisen – eine positive Besonderheit – den Gestalter, wenn dieser nicht mit dem Besitzer identisch ist, gesondert aus.
Nun aber zu den Bonsai. Auch diesmal habe ich zwei Bäume für eine Beschreibung ausgewählt, die mir ins Auge fielen bzw. sprangen. Der erste, eine Kaskade, fiel mir mit seinen wunderbar fließenden Bewegungen wirklich ins Auge. Die Waldkiefer von David Benavente – nominiert für die Noelanders Trophy – präsentiert sich fast perfekt. Für mich die beste Föhrenkaskade, die ich bisher sah, und auch wenn ich mir die bisher überhaupt gesehenen Waldkiefernbonsai ins Gedächtnis rufe, fällt mir keine bessere ein. Beginnend am Nebari hält eine kräftige Wurzel den prekär gekippten kurzen kräftigen Stamm im Erdreich wie eine Ankerkette. Darüber wölbt sich eine Krone, die sich, nach links über den Abgrund stürzend, in fein abgestuften, wolkigen Etagen auflöst. Die weniger blau als grünen Nadeln dieses Baumes sind wunderbar kurz, die Borke alt und schuppig, an manchen Stellen – typisch Föhre – orangerot leuchtend. Die Negativräume wiederholen, wie die Linien der Äste und Zweige, auf vielfältige Weise den geschwungenen Rhythmus dieses Bonsai. Die Schale, besonders deren Farbe, ist in Ordnung, aber eine etwas kleinere mit weicheren Linien könnte den kraftvollen und doch femininen Charakter dieses Bonsai noch unterstreichen. Sie merken, ich komme ins Schwärmen, ob eines Bonsai, dessen Schönheit sich mit der japanischer Meisterwerke messen kann. Wer David Benaventes andere Bonsai kennt, weiß, dass dieser Baum in seiner Ausnahmequalität kein Einzelfall ist.
Nur eine Seite umgeschlagen, springt dem so in Harmonie versetzten Betrachter etwas Gelbes ins Auge. Die Echte Trauerweide (Salix babylonica) von Simon Temblett ist von ähnlich spektakulärer Auffälligkeit wie ein Springbrunnen. Eine so enorm wüchsige Art in die namengebende Form zu bringen ist sehr aufwändig. Ein geneigter, hohler Stamm endet in einem Knoten von sich ausbreitenden Ästen, die wiederum das Gerüst bilden für eine dichte Kaskade von überhängenden Zweigen. Dabei sind die Äste kräftig und die Zweige fein, je nach ihrer Position. Der Baum steht in einer vom Besitzer selbst hergestellten flachen runden Schale, die weich ausgebaucht in Felder gegliedert ist. Die glasierte Schale changiert von gedecktem Weiß bis Beige und passt in Form und Farbe zu diesem heiteren Baum. Ja, und das könnte man einwenden, gegen diesen außergewöhnlichen Bonsai: Es ist eine Trauerweide, die nicht trauert! Aber ist das nicht ein Aspekt, der viele Bonsai trifft, das deren Perfektion, das hervorragend Gemachte eines Meisterwerks gerade deshalb etwas verliert von dem Chaotischen, das Natürlichkeit immer in sich trägt? Das Wilde ist wild, weil wir das Gebändigte dagegenstellen können. Dieser Trauerweiden-Bonsai ist eben keine „Echte Trauerweide“, sondern sie ist ein Bonsai, und das im besten Sinne.
Noelanders Trophy XIII von der Bonsai Association Belgium/Bonsai Europe Publications. Mit Fotos von
Willy Evenepoel.
120 Seiten, 25 cm x 25 cm, Hardcover, zahlreiche Farbfotos
Eine Rezension von Michael Exner aus der BONSAI ART 114