„Migliori Bonsai e Suiseki“
Die Ausstellungsbände der italienischen Bonsaivereinigung der Jahre 2004 und 2005
Alle Jahre wieder kommen Ausstellungsbände verschiedener nationaler Bonsaigesellschaften auf den Markt. Die UBI (Unione Bonsaisti Italiani) veröffentlicht seit 1997 jedes Jahr einen mit großem Erfolg.
Bis zum Jahr 2001 wurden die Bäume vor grau oder blau verlaufenden Hintergründen fotografiert. 2002 ging man zu schwarzen über, kehrte 2003 zu den helleren Verläufen zurück, um 2004 erneut die Bonsai vor schwarzem Grund zu platzieren. 2005 entschied man sich für einen weißen Hintergrund, der seine Einheitlichkeit wahrscheinlich durch die elektronische Bearbeitung (Freistellung) erhalten hat. Auf nicht wenigen der Fotos im Band 2005 sind die Bäume nicht tiefenscharf und kleiner als das Format des Buches zuließe. Der Band 2004 ist da deutlich professioneller fotografiert, wenn auch ein schwarzer Hintergrund die Kontraste der wichtigen Negativräume der Bonsai abschwächt. Ich beginne mit diesen formalen Details, weil ich betonen möchte, wie stark die Qualität eines Bonsai auf einem Foto von seiner gelungenen Ablichtung abhängt. Da ist vieles durch Beleuchtung zu optimieren oder zu verschlechtern. In den Kokufu-Bänden erscheinen die Bonsai etwas steril und dokumentarisch, versuchen so aber auch nicht durch Licht/Schatteneffekte zu täuschen. Überlegungen zum „Wie“ des Fotografierens gehören zur Präsentation von Bonsai, denn die allermeisten Menschen werden einen bestimmten Bonsai nur als Foto zu sehen bekommen. Nur einige wenige Enthusiasten in Deutschland können die großen Meisterwerke japanischer Bonsaikunst im Original bewundern.
Nun aber zum Inhalt. Im Artikel von Alfiero Suardi auf Seite 72 ff. dieser Ausgabe (BONSAI ART 75) werden die prämierten Bonsai des Jahres 2004 kurz vorgestellt, allesamt präsentiert im Rahmen der EBA-Convention. Sie zeigen ein hohes Niveau der Gestaltung und Reife. Dabei fällt auf, dass gerade die heimischen Baumarten den Gestaltern Freiräume in der Formfindung zugestehen. Eine Föhre kann wie eine Jap. Rotkiefer gestaltet sein, wird sie auch oft, aber man findet auch eigenständige Entwürfe, die den Charakter der Waldkiefer überzeugend darstellen. Da passt manches nicht in vorgedachte Schemata, das muss es aber auch nicht. Ob man deshalb jedoch gleich einen „Italienischen Stil des Bonsai“ ausrufen und von „Nationalschätzen“ sprechen muss, sei dahingestellt. Insgesamt überzeugen mich die ausgewählten Stücke davon, dass im Jahre 2004 Italien einen herausragenden Beitrag zur Bonsaientwicklung im Westen geleistet hat.
2005 sieht es etwas anders aus. Neben den oben bezeichneten Mängeln der Darstellung im UBI Band 2004 ist der diesjährige Katalog durch nur 74 Präsentationen von Bonsai, Shohin-Arrangements und Suiseki knapper ausgefallen als im Vorjahr. Auch die Qualität der Bäume ist insgesamt betrachtet wohl nicht so hoch anzusiedeln wie 2004. Auf die unvermeidliche Frage „Warum?“ kann ich nur spekulieren, vermute aber einen Grund in der Breite der Basis von Menschen, die sich mit Bonsai befassen. Die ist in Italien größer als in Deutschland, wo ca. 10.000 Menschen Bonsai pflegen. In Italien sind es etwa dreimal, vielleicht viermal so viele. Von diesem Grundstock, man könnte ihn, um im Bild zu bleiben, Nebari nennen, bearbeitet nur ein Bruchteil ihre Bäume konsequent, von denen wiederum nur wenige Ausstellungen bestücken. Gründe dafür gibt es viele, das Ergebnis ist jedoch ein Mangel an qualitativ hochwertigen Bonsai und entweder die Wiederkehr bekannter Bäume und Gestalter, oder eine geringere Qualität.
Wenn meine Überlegungen stimmen, ist zu vermuten, dass nach einer Kraftanstrengung zur international wichtigen EBA-Ausstellung 2004 die Bestückung der einfachen nationalen Schau nicht so üppig ausfiel. Das betrifft prinzipiell natürlich nicht nur die Italiener, sondern alle Nationen, deren Bonsaitradition nur wenige Jahrzehnte umfasst. Wieder erweist sich Geduld für jeden, der ernsthaft Bonsai betreibt, als unerlässlich. Selbst die reicht eigentlich nicht aus, denn in Deutschland und den anderen europäischen Ländern arbeiten wir erst in der ersten Generation an unseren Bonsai. Oder hat jemand von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, bereits einen ererbten Bonsai in Kultur? Falls es solche Bäume gibt, melden Sie sich mit diesen bei BONSAI ART, damit wir darüber berichten können. Wir bleiben jedenfalls auch nach 75 Ausgaben konsequent am Thema.