Der Bildband der „Kokufu-ten 2013“
Jedes Jahr erwarte ich wie viele Bonsaifreunde in aller Welt ungeduldig die ersten Fotos im Internet von der jeweiligen Kokufu-ten in Tokyo, der wichtigsten Leistungsschau in Sachen Bonsai weltweit. Noch einmal genauso gespannt wird der Bildband aller Ausstellungsbäume erwartet, um in Ruhe die aktuelle Spitze der japanischen High-End-Bonsai zu begutachten.
Nimmt man den Bildband in die Hand, der im gewohnten, unveränderten Layout und Format mit Schutzumschlag und Schuber daherkommt, so bemerkt man eines sofort: Das Buch ist dünner als gewohnt. Es hat 216 Seiten, während die beiden direkten Vorgänger je 270 Seiten besaßen.
2013 wurden etwas über 200 Bonsai auf der Kokufu-ten präsentiert, während es die Jahre zuvor jeweils ungefähr 250 Exponate waren. Das lag daran, dass dieses Jahr die Ausstellung nach zwei Jahren im Ausweichquartier des Tokyo Metropolitan Industrial Trade Center in das inzwischen umgebaute Metropolitan Art Museum zurückgekehrt ist, dessen Räumlichkeiten für die Bonsaiausstellung etwas knapper bemessen waren.
Beim ersten Durchblättern des Buchs gewinnt man schnell den Eindruck, dass ein Großteil der präsentierten Bonsai sehr klassisch und traditionell ausgerichtet ist. Die Bildunterschriften verraten, dass es sich bei vielen dieser Bäume um Exemplare mit dem Prädikat „Important Bonsai Masterpiece“ handelt.
Fünf der sechs Preisträger, die mit dem „Kokufu Prize“ geehrt wurden, stammen aus dieser Gruppe.
Einer meiner Favoriten aus diesem Buch ist die japanische Schwarzkiefer auf Seite 11, Preisträger und wichtiges Bonsaimeisterwerk, die sowohl altehrwürdig als auch vital wirkt, deren Stammbewegung und der bis zum Schalenrand hinabreichende unterste Ast dynamisch und interessant wirken, deren Asymmetrie ausbalanciert, aber nicht neutralisiert ist, mit perfekt platzierten und gepflegten Laubpolstern, die dennoch nicht zu sehr gezähmt sind.
Betrachtet man alle sechs Preisträger, so zählt man drei Kiefern, eine chinesische Quitte, eine blühende Zierquitte und – eher selten gesehen – eine bezaubernde kleine japanische Rose als Halbkaskade in einer perfekt harmonierenden Schale.
Zwei Bäume im Besitz von Nicht-Japanern haben es 2013 auf die Kokufu-ten geschafft, der imposante Shimpaku-Wacholder von Doug Paul (Pennsylvania, USA) auf Seite 122 und der ausdrucksstarke kleine Dreispitzahorn auf Fels von Matt Ouwinga (Chicago, USA) auf Seite 171. Letzterer fasziniert besonders durch seine ungewöhnliche Position auf dem interessanten Felsen und die ausgezeichnete Verzweigung.
Neben den vielen klassischen Bonsai fallen auch einige gewagtere, unkonventionelle Exponate auf. Ausgesprochen ungewöhnlich, für manchen vielleicht irritierend und doch sehenswert wirkt beispielsweise die japanische Aprikose auf Seite 93. Ein endlos langer, kerzengerader Stamm mit leichter Verjüngung und feiner, reifer Rinde verdreht und verknotet sich im obersten Bereich einige Male und trägt eine lichte, asymmetrische Laubbaumkrone. Der Baum steht in einer ockerfarbenen rechteckigen Schale des Schalenkünstlers Maruhei mit hohen Füßen und überbreitem Rand.
Ein Wacholder mit recht bizarren Formen, ein Seigen-Ahorn mit langen, seltsamen Ästen und eine Kerbbuche mit einem irritierenden, vernarbten, knolligen Stammfuß, aus dem die schwarze Ecke eines Felsens ragt, sind weitere Bäume, die aus dem Rahmen fallen.
Auch in diesem Jahr bietet der Kokufu-Bildband also wieder erstklassiges Anschauungsmaterial und vielfältige Inspiration für den anspruchsvollen Bonsaifreund.
„Kokufu-Bildband 87“. Ausstellung 2013.
216 Seiten, 26 cm x 25 cm, durchweg farbig, Hardcover, Schuber, 109,00 Euro
Eine Rezension von Heike van Gunst aus der BONSAI ART 121