„Classical Bonsai Art – A Half Century of Bonsai Study“ von William N. Valavanis
Viel steht schon im Titel: Klassische Bonsai-Kunst. Dokumentiert wird ein halbes Jahrhundert von Bonsai Studien, die Gestaltungen und die Leidenschaft von William N. Valavanis. Dieser hat 50 Jahre Erfahrung mit Bonsai in seiner klassischen Ausprägung gesammelt und möchte zeigen, was dabei herausgekommen ist. Schauen wir uns das mal gemeinsam genauer an.
In diesem Jahr wird der Gründer und Besitzer des International Bonsai Arboretum in Rochester, Herausgeber der seit 1979 vierteljährlich erscheinenden „International Bonsai“ und weltweit bekannte Bonsailehrer 63 Jahre alt. Sein wichtigster Lehrer war Yuji Yoshimura, wobei er in vielen Besuchen Japans die klassische Bonsaikunst auch bei manch anderem Meister studiert hat. Das vorzustellende Buch wurde 2013 veröffentlicht. Obwohl es das Format eines Bildbandes (größer als DIN A 4) hat, ist es doch keiner, sondern eher ein Katalog von 100 Bonsai des Autors, in dem auch deren Entwicklung dokumentiert ist. Von den 256 Seiten sind etwa 20 der Darstellung klassischer Bonsaiformen gewidmet. Den größten Teil (155 Seiten) nehmen drei Abschnitte zu Laub-, Nadel- und Blüten-/Fruchtbonsai ein, denen jeweils wenige Seiten zu Gestaltung und Pflege vorangestellt sind. Shohin-Bonsai und Bonsaiausstellung/Garten schließen die sechs Abschnitte des Buches ab.
Blättert man durch die Seiten wird unmittelbar klar, dass dieses Buch so ziemlich alles sagen und zeigen will, was der Autor in seinem Leben bisher zu Bonsai gesammelt hat. Trotz seiner Größe wirkt es etwas gedrängt zusammengestellt. 675 Fotos und Texte in recht kleiner Schrift vermitteln einen bunten, gehaltvollen Eindruck an den neugierigen Leser. Valavanis steht auf dem Fundament des japanischen Wissens über Bonsai und ist, vielleicht mehr noch als die japanischen Vertreter dieser Kunst, selbstbewusster Hüter der klassischen Formensprache. Schon im dritten Satz seiner Einleitung schreibt er sinngemäß, dass er wisse, dass manche die klassische Weise Bonsai zu gestalten für statisch und altmodisch hielten, er dieses Wissen jedoch als unverzichtbare Basis ansehe. So lernt man dann auch diese Formen bis ins Detail kennen, bevor man zu dem Teil kommt, der dieses Buch einmalig macht. Der spezielle Teil beginnt mit 21 individuellen Fächerahornen in ihren verschiedenen Varianten, manche seit den 70er Jahren gepflegt. Gerade was die verschiedenen Varianten angeht, sind die Texte sehr aufschlussreich. Man erfährt von der „persönlichen“ und der Personengeschichte jedes Baumes, seinen Besonderheiten, Fortschritten und Unfällen. Auch die Japanischen Ahorne und die Dreispitzahorne sind vertreten, so sind es schließlich ein Drittel aller Bonsai, deren lateinischer Name mit Acer beginnt. Es scheinen des Autors Lieblinge zu sein.
Die 20 Nadelbäume setzen sich ebenfalls aus Arten und Varianten zusammen. Schwarzkiefer und Föhre eröffnen den Reigen, in dem sich aber auch die bei vielen Bonsaianern als „schwer erziehbar“ geltende Picea glauca 'Conica' findet. Valavanis zeigt ein paar Beispiele, darunter eine Fichte, die seit den 50er Jahren kultiviert wurde. Auch was aus einer Thuja oder einer Scheinzypresse werden kann, bringt interessante Erkenntnisse und öffnet Möglichkeiten.
Die Stärke des Buches liegt jedoch eindeutig auf der Kultur von Laubbäumen bzw. den Blüten-/Fruchtbäumen. Deren weiche, durch den Schnitt zu erzielenden Formen scheinen auch über Jahrzehnte fehlerverzeihender zu sein, als die vermeindlich robusteren Nadelbäume. Eingestreut finden sich immer wieder Artikel, die bestimmte Techniken (drastischer Schnitt, Kimura-Technik, Ablaktieren etc.) in Wort und Bild beschreiben. Alles zusammen bildet ein Buch, das vom Standpunkt der Übersichtlichkeit zu viel will, das aber genau das wiedergibt, was W. N. Valavanis wohl den Bonsaifreunden in der Welt zeigen wollte: sein Leben mit Bonsai.
Classical Bonsai Art von William Valavanis.
256 Seiten, 23,5 cm x 31 cm, 675 Fotos, Hardcover, Schutzumschlag, englischsprachig. 59,90 Euro
Eine Rezension von Michael Exner in BONSAI ART 124