von Jaqueline Hassink
Ein Bildband, der sich mit Japanischen Gärten befasst. Ist das jetzt etwas Aufregendes? Etwas Neues oder gar etwas, wofür man Geld ausgeben sollte? Ja, ist es. Keine Detailaufnahmen von geharktem Kies, kleinsten Moospolstern, Teehäusern oder alten Wasserschalen. Stattdessen das uns evtl. fremd anmutende Zusammenspiel von Architektur und Garten.
Die holländische Fotokünstlerin Jacqueline Hassink war fasziniert von den Tempeln in Kyoto und den dazugehörigen Gärten und sie hat diese über Jahre hinweg fotografiert. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind in Amsterdam in einer Austellung im Huis Marseille ausgestellt und dankenswerterweise auch in dem vorliegenden Bildband zur Ausstellung veröffentlicht worden. Wie häufig in englischer Sprache, was aber nur ins Gewicht fällt, wenn man die umfangreiche Dokumentation genau verstehen möchte.
Das Buch ist schon in seinem Äußeren zur konzentrierten Behandlung angelegt. Ein recht großes Softcover-Buch, dessen Umschlag in sich gefaltet ist und ein wenig an große Kimono-Ärmel erinnert. Nichts für „Ich-schau-mal-eben“ oder „Guck-mal-wie-toll“. Sondern ein, wie ich finde, gelungener Weg, die nötige Ruhe für die Betrachtung der Bilder schon beim Aufschlagen des Buches zu erlangen.
Zu sehen sind 3 Serien: „Temple and Garden“, „Temple“ und „Garden“.
„Temple and Garden“ zeigt unaufgeregt, aber eindrucksvoll das Zusammenspiel der hochstilisierten Naturanlage mit der ebenso hochgeometrischen, auf dem Maß des menschlichen Körpers beruhenden Baukunst der japanischen Architektur. Während die Gartenanlagen durch organische Formen bestechen, die in dieser Form nur durch Zufall in der wirklichen Natur vorkommen, offenbart die luftige Bauweise der alten japanischen Häuser eine funktionelle Dualität: Während alle Öffnungen des Hauses als Rahmen für die Naturgestaltung dienen, gestatten sie zeitgleich eine Durchdringung des inneren Raumes durch den äußeren. Das Haus dient nicht nur als Schutzhütte vor der Natur, sondern soll auch durchlässig sein. (Und in einem erdbebengeplagten Gebiet schnell wieder aufzubauen sein.) Die dünnen, verschiebbaren Wände verstärken diesen Effekt noch. Übrigens durfte Frau Hassink tatsächlich mit der Genehmigung der Mönche für einige Aufnahmen die Anordnung dieser Wände verändern. Kein alltäglicher Vorgang!
Der Teil „Temple“ zeigt Innenansichten der Tempel, die die Schönheit der schlichten und häufig auch sehr alten Einrichtungen und Aufteilungen dieser Häuser in den Vordergrund stellen. Während einige Tempel in ihrer Durchstrukturiertheit dennoch verwirrend wirken, bestechen andere durch die Schlichtheit und das „Mochi-komi“ ihrer Bauweise. Allen gleich ist die durch die Baumaterialien geförderte Nichttrennung von privatem und öffentlichem Bereich, die zwar auch ein Merkmal westlicher Klöster ist, aber in dieser Radikalität selten erreicht wird.
„Garden“, der 3. Fototeil, hat hauptsächlich Gartenansichten als Sujet, die man nicht sofort mit dem Begriff „Japanischer Garten“ gleichsetzt. Der architektonische Bereich wird mit dem Eingangsbild verlassen und man begibt sich immer mehr in die geplante Abstraktheit eines japanischen Moosgartens, der auf den ersten Blick wild wirkt und erst mit jedem genaueren Hinsehen eine genaue Überlegung offenlegt. Dass aber diese Geplant-heit durchaus zu meditativen Er-
gebnissen führen kann, deuten die sich zu immer abstrakteren Mustern formenden, ab-schließenden Bilder von Kirsch- und Forsythienblüten an.
Danach folgt ein interessanter theoretischer und dokumentierender Teil, der mit einem Lageplan der fotografierten Gärten und einem Register der Bilder beginnt. Darauf folgen Abschriften und Stills aus dem Film „View, Kyoto“, in dem die Autorin Interviews mit Mönchen über die Gartenkunst führte, gefolgt von einem Gespräch mit einem südafrikanischen Wissenschaftler über ebendieses Thema. Abschließend werden Skizzen aus ihrem Notizbuch gezeigt. Alles in allem trotz des „gewöhnlichen“ Themas ein außergewöhnliches Buch, das Preis und Wertschätzung rechtfertigt.
„View, Kyoto. On Japanese Gardens and Temples“ von Jaqueline Hassink. 204 Seiten, 311 Abb., 29 cm x 36 cm, Flexcover, englischsprachig. 68,00 Euro.
Rezension von Heike van Gunst aus BONSAI ART 131