Ein Bildband von David Michaud
Das Land der aufgehenden Sonne mit seinen vielen, scheinbar so widersprüchlichen Facetten hat für die meisten Bonsaifreunde eine große Faszination und ist doch gleichzeitig in vieler Hinsicht rätselhaft. Nicht wenige sind über das Interesse für Japan und diverse japanische Künste zum Bonsai gekommen. Daher sind Bildbände über Japan gewöhnlich sehr willkommen. Der vorliegende geht jedoch über eine Aneinanderreihung von Fotos der üblichen Sehenswürdigkeiten hinaus und bietet eine ungewöhnliche Intensität von Bild und Text.
Der französische Journalist, Autor und Fotograf David Michaud hat bereits mehrere Bücher über Japan geschrieben, betreibt seit 2002 das Internetportal www.lejapon.fr und lebt seit 2007 in Japan. Er darf mit Recht als großer Japankenner gelten.
Der Bildband „Japan“ ist im quadratischem Format von 24,5 cm x 24,5 cm x 2,5 cm im Jahr 2012 als deutsche Ausgabe im Verlag Frederking & Thaler erschienen. Mit 272 Seiten, einem Gewicht von ca. 1.370 g und einer Vielzahl hochwertiger Fotos erhält man ein umfangreiches Werk zu einem günstigen Preis.
Ist man zunächst von den außerordentlich farbigen, detailreichen Fotos japanischer Alltags- und Festszenen angezogen und möchte fast die Texte zwischen ihnen überblättern, so stellt man schnell fest, dass eben diese Texte nicht weniger lebendig und liebevoll erschaffen sind als die Bilder.
Dem Leser werden die Gegensätze zwischen der Modernität und Traditionalität Japans als bereichernd und selbstverständlich im Alltag der Menschen vereinbarte und gelebte Aspekte ihrer Identität gezeigt.
Michaud präsentiert auf seinen stimmungsvollen Fotos alte Traditionen wie die Teezeremonie, diverse jahreszeitliche Volksfeste, Geishas, Kampfsportarten, No-Theater, Tempel, Gärten, denkmalgeschützte alte Gebäude und Stadtviertel, vermischt mit dem pulsierenden Großstadtleben voller Betriebsamkeit, Neonreklamen, Karaoke-Bars, Spielhallen, Vergnügungsparks, Cosplay und Konsumtempeln.
Landschafts- und Naturschönheiten, kulinarische Attraktionen und alte Handwerkskunst stehen ultramodernen Bürohochhäusern, der Arbeitsroutine der Salarymen, der Uniformität der Schulkinder und der Technikbesessenheit der jungen Menschen gegenüber und sind doch keine unvereinbaren verschiedenen Welten. Viele, auch jüngere Japaner haben sich offenbar trotz aller Modernität nicht von ihrer überlieferten Kultur entfremdet und pflegen viele alte Traditionen noch immer. Das Wissen um althergebrachte Bau- und Handwerkstechniken wird meist sorgfältig bewahrt.
Zwischen all den farbenprächtigen Aufnahmen finden sich auch bezaubernde historische Fotografien, Reisebeschreibungen, sowie informative Erläuterungen zu vielen Motiven, Orten und Themen. Ergänzt werden diese an vielen Stellen durch japanische Sprichwörter, Gedichtverse oder Zitate aus japanischer und internationaler Literatur, Memoiren und Chroniken. Auf Seite 264 unten links findet sich schließlich auch ein einziges kleines Bild eines Bonsai.
Dieser Bildband ist eine Liebeserklärung an ein faszinierendes Land und vermittelt die Anziehungskraft Japans so intensiv, dass man am liebsten in das nächste Flugzeug steigen und selbst in diese fremde Welt, die man nach dieser Lektüre ein wenig besser zu verstehen meint, eintauchen möchte.
Japan von David Michaud. 272 Seiten, 310 Abbildungen, 24,5 cm x 24,5 cm, Flexcover. 9,99 Euro.
Rezension von Heike van Gunst aus BONSAI ART 132