"Das Bonsai Handbuch"

von David Prescott, herausgegeben von Colin Lewis

In dieser Ausgabe habe ausnahmsweise ich die schöne Aufgabe, Ihnen ein neues Buch vorzustellen, das im vergangenen Jahr als Übersetzung aus dem Englischen bei uns erschienen ist. Harald Buß hatte es mir vorgelegt, unser Mann des Buchsortiments. "Brauchen wir das denn?" war meine erste Frage, ist es doch auf den ersten Blick ein "Allroundwerk" unter vielen anderen für mehr oder weniger engagierte Einsteiger. Diese Frage werde ich hier zu klären versuchen.

 

prescbonsai.jpgZunächst zu den Formalia: Das hardgecoverte Buch im Format 22 cm x 28,5 cm (ca. DIN A4) umfasst 160 Seiten, wurde vom Verlag Franckh-Kosmos durchgehend farbig in guter Druckqualität gestaltet und beeindruckt spontan durch ein sehr ansprechendes, ästhetisch gelungenes Layout. Das Werk gliedert sich nach Vorwort und Einleitung in 10 Kapitel plus Glossar und Register.
Nun zu den eher informellen Dingen: Das Buch entstand in englisch-südafrikanischer Produktion. Als Autor fungiert David Prescott, ein englischer Sammler, Schüler von Colin Lewis. Letzterer ist als "Berater und Herausgeber" genannt, wie auch immer diese Beratung ausgesehen haben mag. Sicher ist, dass kein Anfänger das Buch geschrieben hat. Das Bildmaterial stammt zum größten Teil aus Helmut Rügers Archiv, offenbar ist man auch international auf sein recht großes Repertoire aufmerksam geworden. Übersetzt wurde das Werk nun von Horst Stahl, bekannt als Buchautor, hier mehrfach in Erscheinung getreten.
Was ist nun das Besondere an diesem Handbuch? Beginnen wir mit dem zunächst einmal nichts sagenden Kapitel "Bonsai". Es finden sich dort leicht verständlich die wesentlichen biologischen Elemente eines Baumes erklärt als Grundlage zum Verständnis aller Pflegemaßnahmen. Außerordentlich wichtig, doch in den meisten anderen Büchern nicht zu finden.
Das Kapitel "Die Bonsai-Kunst" vermittelt grundsätzliche Informationen zur Ästhetik, erklärt das Gefühl, das wir beim Betrachten eines Bonsai zu vermitteln versuchen. Aber auch die bei Anfängern mitunter auf Ablehnung stoßenden Gestaltungen mit Totholz werden dem Einsteiger verständlich gemacht. Informationen zu den klassischen Stilen und zur Präsentation runden die Ausführungen ab.
Unter "Ihre eigene Bonsai-Sammlung" erfährt der Leser allerhand Wissenswertes zur Beschaffung, zu Qualitätsmerkmalen, aber auch zur Problematik der inflationär außerhalb des Fachhandels erhältlichen qualitativ minderwertigen "Indoor"-Ware.
Die folgenden Kapitel vermitteln die wichtigsten Kenntnisse zu Pflege, Gesundheits- und Formerhalt mit sehr gut nachvollziehbaren Skizzen und Fotos zu den Arbeitsgängen. Einige Aspekte trafen bei mir nicht gerade auf Begeisterung, so bin ich der Auffassung, dass die "Dochtbewässerung" in einem aktuellen Buch nichts zu suchen hat. Auch irritierten mich einige Fotos und Illustrationen, so z.B. zum "umsichtigen Anlegen" des Drahtes: Eine Windung weniger am Astansatz hätte durchaus genügt. Doch wie Sie sicher bemerken, fällt es mir nicht leicht, hier inhaltliche Fehler zu finden.
"Gestalten Sie Ihre eigenen Bonsai" heißt es im nächsten Kapitel. Die Möglichkeiten der Anzucht, der Vermehrung und des Sammelns werden erschöpfend mit all ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen erörtert. Recht gelungen, wie ich finde.
Der nächste Abschnitt "So beginnen Sie mit der Arbeit" befasst sich mit dem "Finden und Aufdecken der verborgenen Qualitäten", dabei geht es um das Einkürzen von Stämmen, die Bearbeitung von Totholzbereichen und das konkrete Gestalten anhand von Beispielen.
Die "Pflanzenportraits" stellen die Eigenheiten der geeigneten Spezies ausführlich dar, auf besondere pflegerische Fallstricke wird hingewiesen. Dabei wird kaum generelle Unterscheidung zwischen "In- und Outdoors" gemacht, es werden vielmehr die relevanten Bedürfnisse an den Standort ausgeführt. Das ist recht sinnvoll, sind doch die klassischen "Indoors" ausgezeichnet im Sommer draußen zu halten. Die besonderen Hinweise für die Überwinterung fehlen nicht.

Insgesamt bin ich durchaus positiv überrascht von diesem Buch. Wer sich als Einsteiger ein fundiertes Grundwissen aneignen möchte, ist hier sehr gut beraten. Die Sichtweisen und Erklärungen des Autors sind durchaus zeitgemäß, sie vermitteln auch dem Neuling ein Verständnis auch komplexer Zusammenhänge, für das viele von uns möglicherweise Jahre gebraucht haben. Meine eingangs gestellte Frage würde ich somit mit einem klaren "ja" beantworten: Das Buch kann einen wertvollen Beitrag zur Förderung des Bonsaigedankens leisten.