„Gestaltung Japanischer Gärten“

von Marc Peter Keane

„Schon wieder ein Gartenbuch“ werden vielleicht einige denken und nichts als die Überschrift dieses Textes lesen. Das wäre schade, denn M. P. Keanes Buch kommt zwar wie ein schöner Bildband der Gartengestaltung daher, ist aber viel mehr. Keane stellt uns, wie es P. L. Houser in seinem Vorwort schreibt, ein etymologisches Wörterbuch, eine Grammatik und ein Lexikon zur Entzifferung der japanischen Gestaltungsästhetik zur Verfügung. Dieses Buch thematisiert somit auch die Grundlagen der Gestaltung von Bonsai.


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Wie schon oft von mir beklagt, fehlt es in der deutschsprachigen Bonsailiteratur an Werken, die die Hintergründe der Japanischen Kunst vor allem in Bezug auf die Bonsaigestaltung transparent machen. Das Besondere an diesem Buch besteht nun darin, dass der Autor sein großes Verständnis der japanischen Ästhetik auf prägnante Weise darstellen und aus einem überschaubaren Bedingungsgefüge ableiten kann.
Die Sprache ist die wichtigste Symbolisierungsform einer Kultur. In ihr und durch sie bringen Menschen aus einem Kulturkreis ihre Vorstellungen über die Welt zum Ausdruck. Neben der Sprache gibt es natürlich noch viele andere Ausdrucksformen, zu denen auch die Garten- und die Bonsaikunst gehört, deren Codes jedoch immer auch sprachlich vermittelt sind. Geht man den zentralen Begriffen dieser Künste nach und klärt ihren Ursprung bzw. ihre Entwicklungsgeschichte, so werden die komplexen Zusammenhänge zwischen diesen scheinbar rein ästhetischen Begriffen und anderen kulturellen Aspekten (z.B. religiösen, ökonomischen oder politischen) deutlich. Kurz: Die etymologische Be-griffsanalyse ermöglicht ein komplexeres Verständnis einer Kultur.
Keane geht in seinem Buch diesen Weg. Anhand zentraler ästhetischer Begriffe geht er durch die einzelnen Epochen japanischer Geschichte. Die jeweils besonderen gesellschaftlichen Zusammenhänge und Verwerfungen brachten jeweils neue kulturelle Formen hervor, die sich wiederum in ästhetischen Haltungen und entsprechenden Begriffen niederschlugen. Die unter der Überschrift KREATIVE INSPIRATION versammelten Beiträge gehen von den vorgeschichtlichen Ursprüngen über die Gärten der Heian-Aristokratie und des Zen-Buddhismus, die Tee- und Tsubogärten zu den Wandelgärten der Edo-Zeit. In diesem Buch wird man jedoch mit der Fülle der verschiedenen japanischen Begriffe nicht alleine gelassen. Der Autor ist vielmehr in der Lage, diese in einen lebendig dargestellten gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Hierzu ein kleines Beispiel: Um die Ursprünge der Gartenkunst zu beleuchten, bezieht sich der Autor auf ein Paradigma des japanischen Gartens, das Gleichgewicht von natürlicher und künstlicher Schönheit. Die Entstehung dieses Leitprinzips fällt mit der Entstehung der bäuerlichen Gesellschaft zusammen und drückt sich in den Begriffen niwa und sono aus. Als die Menschen noch überwiegend Jäger und Sammler waren, bezeichnete niwa das Territorium, in dem sie diesen Tätigkeiten nachgingen. Nachdem durch den Ackerbau die Landschaft verändert worden war, hieß dieser Bezirk sono. Die ursprüngliche Bedeutung von niwa entspricht also der Vorstellung ungestalteter, die von sono gestalteter Natur. Beide Begriffe werden bis heute für die Bezeichnung von Gärten verwandt. Zusammengezogen und chinesisch teien ausgesprochen, meint er soviel wie Gartengestaltung und ist der in Japan am häufigsten verwendete Begriff für Garten. Das Gestaltete und das Ungestaltete ist zu einem in sich widersprüchlichen Ganzen gefügt.
Was sich in dieser knappen Rezension ein wenig akademisch und blutleer darstellt, wird vom Autor lebendig und bilderreich beschrieben. Er läßt den Leser immer wieder neu auf die sich verändernden Gartenwelten blicken.
Nach der Klärung der Grundlagen widmet sich der zweite Teil des 185-seitigen Buches der GESTALTUNG. Die Prinzipien, Techniken und Elemente der Gestaltung werden knapp dargestellt. Bei den Prinzipien geht es um das
Warum, bei den Techniken um das Wie und bei dem Elementen um das Womit der Gestaltung. Auch hier gibt der Autor die Antworten auf diese Fragen so fundiert und allgemeingültig, dass es leicht ist, davon für die Bonsaigestaltung zu profitieren. Oft reicht es, statt des WortesGarten das WortBonsai einzusetzen, und erhellende Einsichten über bisher Unverstandenes stellen sich ein.
Zum Schluss möchte ich noch kurz die formalen Daten angeben. Das Buch hat in etwa DIN A 4 Querformat und ist hochwertig ausgestattet. Es ist 1999 bei Ulmer erschienen und mit zahlreichen ausgezeichneten Fotografien von Haruzo Ohashi illustriert. Zudem enthält es noch viele hervorragende Zeichnungen des Autors, die mehr noch als die Fotos das Wesentliche des Dargestellten ausdrücken.

Ich konnte nur sehr gerafft die Reichhaltigkeit dieses Buches vorstellen. Für mich ist es eine echte Entdeckung und zählt zu meinen persönlichen
Klassikern. Marc Peter Keane ist es gelungen, in diesem Buch etwas von dem Geschmack japanischer Ästhetik einzufangen. Sein eigener Weg, der, wie er in der Einführung schreibt, durch die subtile Qualität eines japanischen Märchenbuches angeregt wurde, findet in seinem eigenen Werk eine würdige Entsprechung.