„Pines“ aus der Bonsai TODAY Masters’ Series
„Winzig kleine Gärten – Von der Faszination japanischer Innenhöfe“
von Michael Freeman
Das zweite englischsprachige Buch aus der Reihe, in der auch das in BONSAI ART 87 besprochene Buch über Wacholder erschienen ist, möchte ich Ihnen diesmal vorstellen. Dazu werde ich noch ein paar Worte über ein kleines Buch über winzige Gärten verlieren, das mich auf einer kurzen Reise ausgezeichnet unterhalten und erfreut hat.
Pines, also Kiefern, sind eine typische Gattung unter den Bonsai und gehören zu den Bäumen, deren Bonsaikultur am weitesten zurück zu verfolgen ist. Sie wurden schon immer wegen ihrer symbolischen und nicht wegen ihrer konkreten Bedeutung, wie etwa Obstgehölze, gezogen. Für viele Laien ist Bonsai gleichbedeutend mit Kiefer. Die klassischen Bonsai-Kiefern sind die Jap. Mädchenkiefer (Pinus parviflora) und die Jap. Schwarzkiefer (Pinus thunbergii). Genau um diese beiden Arten geht es in dem Buch, das, ebenso wie das über die Wacholder, aus bereits veröffentlichten Artikeln unserer amerikanischen Schwesterzeitschrift BONSAI TODAY zusammengestellt wurde. Dabei wurde den beiden behandelten Arten jeweils ein einleitender Text vorangestellt. Die meisten dieser Artikel kann man auch in alten Ausgaben von BONSAI ART finden, in einem Buch zusammen gefasst ist die Lektüre jedoch bequemer. Was bieten die einzelnen Artikel nun für Informationen an?
Grundsätzlich finden sich 8 verschiedene Artikel über Mädchenkiefern und 6 zu Schwarzkiefern. Sie ergeben einen interessanten Info-Mix aus Pflege-, Kultur- und Gestaltungstechniken. Herausgreifen möchte ich zum einen den Mädchenkiefer-Artikel von Susumo Sudo und Masahiko Kimura über die Auswahl des ersten Haupt-astes (Sashi-eda) und zum andern den von Matsuo Kushida über die Vermehrung und Aufzucht von Schwarzkiefersämlingen.
Eigentlich haben Sudo und Kimura keinen gemeinsamen Artikel verfasst, für das Buch wurden ihre beiden Artikel kombiniert. Das macht insofern Sinn, als sie ein gemeinsames Thema haben. Sudo stellt verschiedene Möglichkeiten der Positionierung des Sashi-eda mit Hilfe digital veränderter Fotos vor, Kimura entfernt den ersten Ast und erreicht durch leichte Winkelveränderung des Stammes eine neue Balance des Bonsai. Beide machen klar, wie stark das Erscheinungsbild, ja der Charakter eines Bonsai von seinem wichtigsten Ast geprägt wird. Der Sashi-eda, richtig ausgewählt und positioniert, ist somit nach der Stammlinie das entscheidende Schlüsselelement bei der Gestaltung von Kiefern. Diese benötigen eine klare Struktur, um ihre ganze Kraft entfalten zu können. Sudo und Kimura machen das an ihren Beispielen sehr deutlich.
Von ganz anderer Art ist der Artikel von Matsuo Kushida, einem innovativen Pionier der Kiefernzucht. Seine Sache ist die Sämlingsvermehrung beginnend mit der Sammlung von Kiefernzapfen von den Mutterpflanzen, die besonders günstige Eigenschaften zeigen. Sein Artikel mit vielen Zeichnungen fasst verschiedene Techniken zusammen. Dabei geht es z.B. um Sämlinge, die zu Stecklingen geschnitten werden, um bessere Nebari zu erhalten. Letztlich kann man mit Hilfe dieses Artikels fast ohne finanziellen Einsatz hervorragende Kiefernbonsai entwickeln. Herr Kushida stellt seine großen Kenntnisse über das Wachstum von Kiefern auf praktische Weise dem Leser zur Verfügung und leistet seinem Ziel, der Bonsaikultur von Beginn an, damit einen großen Dienst.
Wie versprochen noch eine kurze Einschätzung eines neuen Werkes. Das quadratische Buch scheint sich, durch Form und eine Seitenlänge von 18 cm, zu einem „richtigen“ Bildband zu verhalten, wie ein Innenhofgarten zu einem Landschaftsgarten. Wie ein komprimierter Extrakt verdichtet dieses Buch die Vielfalt kleiner bis kleinster Japanischer Gärten, manche tatsächlich kaum größer als ein Bildband. Oft geht es nur um eine Pflanze mit etwas Moos und ein paar Steinen, was Sie sicher an Felsenpflanzungen, Gruppen oder windgepeitschte Bonsai erinnert, die ja Landschaftsausschnitte darstellen.
Mich hat dieses Buch auf über 220 Seiten immer wieder angeregt, über meinen Balkon und ungenutzte Ecken im Garten nachzudenken und Ideen zu entwickeln, wie man diese kleinen Räume gestalten kann. Dieser Minibildband erschien mir wie eine Brücke zwischen Bonsai als weitgehende Abstraktion einer Natur-szene und dem japanischen Garten mit seinen konkreten Übertragungen aus der Natur ins häusliche Umfeld. Die gezeigten winzigen Gärten sind sowohl abstrakt in ihrer geistigen Dimension als auch konkret in ihrer Sinnlichkeit, und dadurch ein wertvoller Aspekt der japanischen Gartenkultur.
Pines.
Bonsai Today Masters’ Series.
184 Seiten, engl., 21,5 cm x 27,8 cm, durchg. farbig, Softcover, 29.90 Euro.
Winzig kleine Gärten – Von der Faszination japanischer Innenhöfe.
Freeman, M.
224 Seiten, 17 cm x 18 cm, viele farbige Abbildungen, Hardcover, 24,95 Euro.